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Laufen ist der populärste Sport der Welt: Es wird gelaufen, seit Ärzte, Wissenschaftler und die Industrie das Laufen als Allheilmittel für Gesundheit und seelische Ausgeglichenheit preisen. Ronald Reng, als Jugendlicher enthusiastischer Mittelstreckenläufer, macht sich auf die Suche nach seinem eigenen, verlorenen Laufgefühl und der Antwort auf die eine Frage: Warum laufen wir? Er beschäftigt sich dabei mit Fersenentzündungen, Pulsuhren oder Runner´s High ebenso wie mit der eigenen Form. Und trifft dabei auf die verschiedensten Läufer: Gefangene, die unter Anleitung von Olympiasieger Dieter Baumann beim Laufen einmal die Woche innerlich frei sind. Oder eine Frau, die angefeindet wurde, als sie vor fünfzig Jahren als eine der ersten mit dem Laufen begann. Am Ende fügt Ronald Reng alle Geschichten zu einer Antwort zusammen: Darum laufen wir.
Ronald Reng, geboren 1970 in Frankfurt, lebte viele Jahre als Sportreporter und Schriftsteller in Barcelona. Seine Biografie über Robert Enke stand zehn Wochen unter den Top 5 der Spiegel-Bestsellerliste, sein Buch 'Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga' erhielt den 'NDR Kultur Sachbuchpreis' und wurde als 'Fußballbuch des Jahres 2013' ausgezeichnet. Zuletzt erschien von ihm 'Mroskos Talente. Das erstaunliche Lebens eines Bundesliga-Scouts', das 2016 ebenfalls zum 'Fußballbuch des Jahres' gekürt wurde. Ronald Reng läuft seit frühester Kindheit und stammt aus einer Familie von begeisterten Läufern. Viele Jahre lief er nicht, bis er nun, mit fast 50, die alte Leidenschaft neu entdeckte und nun mit neugierigem Blick auf diese größte Passion seiner Landsleute blickt.
Autorentext
Ronald Reng, geboren 1970 in Frankfurt, lebte viele Jahre als Sportreporter und Schriftsteller in Barcelona. Seine Biografie über Robert Enke stand zehn Wochen unter den Top 5 der Spiegel-Bestsellerliste, sein Buch "Spieltage. Die andere Geschichte der Bundesliga" erhielt den "NDR Kultur Sachbuchpreis" und wurde als "Fußballbuch des Jahres 2013" ausgezeichnet. Zuletzt erschien von ihm "Mroskos Talente. Das erstaunliche Lebens eines Bundesliga-Scouts", das 2016 ebenfalls zum "Fußballbuch des Jahres" gekürt wurde. Ronald Reng läuft seit frühester Kindheit und stammt aus einer Familie von begeisterten Läufern. Viele Jahre lief er nicht, bis er nun, mit fast 50, die alte Leidenschaft neu entdeckte und nun mit neugierigem Blick auf diese größte Passion seiner Landsleute blickt.
Leseprobe
Kilometer 0
Mit 13 lernte ich laufen, und schon nach den ersten Schritten beschloss ich, nie mehr stehen zu bleiben.
Meine Eltern hatten mich bei den lokalen Waldlaufmeisterschaften angemeldet. Ich zog die Laufschuhe meines Vaters an, Größe 46 und somit mindestens drei Nummern zu groß für mich, was mir das ziemlich 13-jährige Gefühl gab, plötzlich erwachsen zu sein. Die Laufstrecke führte uns einmal den Berg hinauf und dann den Berg hinunter, was sich als ideal für mich herausstellte: In dem Moment, als ich erschöpft war, konnte ich mich einfach den Berg hinunterrollen lassen. Im Bericht des Höchster Kreisblatts erschien ich mit falschem Vornamen, Roland. Ich strich den Roland mit Kugelschreiber und Lineal durch, fügte samt Asterisk »Ronald« an und hängte den Bericht an meine Pinnwand, wo bis dahin Urlaubssouvenirs wie die Verpackungen Schweizer Schokolade hingen. Ich vermute, dass es heutigen 13-Jährigen eher nicht mehr in den Sinn kommt, ihre Wände derart zu schmücken. Am nächsten Nachmittag lief ich alleine, ohne dass mich irgendwer dazu aufgefordert hätte, in den Feldern hinter unserem Haus los. Ich kann nicht genau festmachen, ob es an der Begeisterung für die Riesen-Laufschuhe meines Vaters lag, am Ehrgeiz, einmal meinen richtigen Namen in der Zeitung zu lesen, oder am Stolz, dass mich beim semi-bewusstlosen Hinunterrollen vom Berg niemand mehr überholt hatte: Ich war jetzt ein Läufer.
33 Jahre später brauche ich nur irgendwo in der Ferne einen Läufer zu sehen, und ich glaube sofort, einen Seelenverwandten zu erkennen. Geradezu zwanghaft taxiere ich jeden Läufer. Was für ein Tempo hat er drauf? Setzt er mit den Vorderfüßen auf? Hält er die Hände locker? Dieses reflexartige Durchchecken jeden Läufers scheint seit meinen Tagen als Wettkampfläufer in meinem Gehirn programmiert. Manchmal lehne ich mich dagegen auf: Mein Gott, es ist eine ganz gewöhnliche Joggerin, die dort drüben durch den Park trabt, eine 60-jährige Frau, was geht sie dich an, lass sie doch laufen! Aber die peinliche Wahrheit ist, dass ich besessen weiterschaue, auf jeden einzelnen Läufer.
Wenn sie die Arme ein klein wenig tiefer halten würde, ein klein bisschen enger am Körper, könnte sie ökonomischer laufen.
Sie dagegen hat einen kraftvollen Abdruck! Sicher eine Wettkampfläuferin, wie sauber sie die Unterschenkel nach hinten wirft, wie gerade sie die Füße aufsetzt, top, ich wette, eine 5000-Meter-Läuferin, kein Marathon, dazu läuft sie zu energisch, gewohnt, Tempo zu machen.
Aber, oh je, der Mann mit den roten New-Balance-Schuhen und diesem schmerzverzerrten Gesicht, wenn ich ihm einen Spiegel vorhalten könnte, er würde selbst verstehen, dass, wer das Gesicht beim Laufen so verzerrt, im gesamten Körper verkrampft.
Irgendwann, vor einigen Wochen, stellte ich mir dann die Frage: Und du, wie läufst du?
Gar nicht mehr.
In meiner Fantasie bin ich noch immer der junge Mittelstreckenläufer: In meinem Selbstverständnis bin ich immer ein Läufer geblieben. Einige Tage verdrängte ich die Erkenntnis, dass dieses Selbstbild nichts mehr mit der Realität zu tun hat. Aber wir leben in Bozen direkt an den Talferauen, der Laufstrecke der ganzen Stadt. Wirklich alle paar Minuten zieht ein Läufer vor unserem Küchenfenster vorbei - und plötzlich schien mir jeder vorbeihuschende Läufer zuzurufen: »Und du?«
Ich wandte mich vom Küchenfenster ab. Die Frage jedoch blieb: Warum hatte ich das Laufen bloß aufgegeben?
Natürlich kenne ich die Antworten: Familie, Arbeit, es sind dieselben Antworten, die Zehntausende geben, denen mit den Jahren eine Leidenschaft langsam, fast unbemerkt entglitten ist.
Zum Stillstand gekommen vor dem Küchenfenster, dachte ich weiter nach. Vor mir lagen die Auen mit ihren perfekten Laufwegen, flach, auf festem Erdboden, zwischen Wiesen und dem singenden Fluss, unter majestätischen Bäumen, die Reisende aus der ganzen Welt nach Bozen gebrac
Inhalt
Kilometer 0. Wie jeden Tag Dutzende Läufer vor meinem Küchenfenster vorbeiziehen und ich mich dunkel erinnere: Ich war auch mal einer von ihnen. Flussabwärts. Ich laufe wieder los. Kleine Korrekturen am Trainingsplan. Ich bleibe schon wieder stehen. Nachhilfestunde. Ich erkundige mich: Wie machen das eigentlich die anderen? Loslaufen, ohne schlapp zu machen. Mit Stil. Große Fragen: Was ist der perfekte Laufstil? Gibt es ihn überhaupt? Und warum habe ich ihn nicht? Dieses Gefühl. Wie ich für einen Moment glaube: Es läuft wieder. Die Frauen und der Landarzt. Ich treffe Maria Strickling, die zu einer Zeit loslief, als Laufen nicht als gesund galt. Sondern für Frauen praktisch verboten war. Im Flow (nur ein kurzer Augenblick). Andere nennen es runner's high, und manchmal, ganz selten, weiß ich, was sie meinen. Jens, nach dem Laufen. Mit Deutschlands bestem Theaterschauspieler suche ich danach, was Laufen fürs Leben (und den Beruf) bringt. In Fahrt. Laufen ist schön, aber richtig schön ist für mich eigentlich doch nur schnelles Laufen. Oder besser gesagt: Laufen, so schnell es halt noch geht. Die unerwünschte Entdeckung der Plantarsehne. Über das Nervigste am Laufen: Verletzungen. Wobei wir mal Eishockeyspieler fragen sollten, was wirkliche Sportverletzungen sind. Weiterlaufen. Wie das Laufen Teresa Enke half, den Tod von Mann und Tochter zu überstehen. Hunger. Warum die Rote Bete das Mega-Hammer-Ding ist und andere Einblicke in die Ernährungslehre von Läufern. Ein Versuch. Ich weiß, dass ich mit der Verletzung pausie…