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Der technologische Fortschritt hat das Gehirn ins Visier genommen. Schon jetzt ist vieles möglich: Per Denken Texte schreiben oder ein Computerspiel spielen? Kein Problem. Über ein Hirnimplantat Querschnittsgelähmten einen Teil ihres Bewegungsspielraums zurückgeben? Auch kein Problem. Doch mit dem Fortschritt wachsen die Erwartungen an unser Gehirn: Könnte unser Denken nicht effizienter werden? Brauchen wir wirklich acht Stunden Schlaf, um dem Gehirn Erholungsphasen zu ermöglichen? Können wir unsere Stimmungen nicht durch gezielte Hirnstimulationen aufhellen? Wir sind dabei, eine gefährliche Grenze zu überschreiten: Unser Denken wird berechenbar, wir werden optimierbar. Miriam Meckel fordert: Wir sollten nicht alles machen, was machbar ist. Wir müssen die Autonomie über unseren Kopf behalten - als Kreativraum und Refugium des Bewusstseins.
Die Publizistin Miriam Meckel, Jahrgang 1967, ist Herausgeberin der WirtschaftsWoche und Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen. Als Grenzgängerin zwischen Wissenschaft und Praxis beobachtet sie seit Jahren, wie neue Technologien und das Internet unser Leben verändern. Ihre Bücher 'Das Glück der Unerreichbarkeit' und 'Brief an mein Leben' waren Bestseller im deutschsprachigen Markt.
Autorentext
Die Publizistin Miriam Meckel, Jahrgang 1967, ist Herausgeberin der WirtschaftsWoche und Professorin für Kommunikationsmanagement an der Universität St. Gallen. Als Grenzgängerin zwischen Wissenschaft und Praxis beobachtet sie seit Jahren, wie neue Technologien und das Internet unser Leben verändern. Ihre Bücher "Das Glück der Unerreichbarkeit" und "Brief an mein Leben" waren Bestseller im deutschsprachigen Markt.
Leseprobe
Kopfbahnhof
Bitte einsteigen und mitdenken
Immer schon war ich anfällig dafür, Dinge auszuprobieren, die mir nicht guttun. Auch gehe ich gerne mal volles Risiko, ohne darüber nachzudenken, was das mit mir machen könnte. Und so ist die Entscheidung für dieses Buch an einem Tag im April 2017 in Boston, Massachusetts, gefallen. Nach 36 Stunden ohne Schlaf und Essen setzte eine prägende Erkenntnis ein: Das Gehirn ist ein sehr feines System, absolut faszinierend, gleichzeitig aber auch noch weitgehend unverstanden, unberechenbar. Wir sollten vorsichtig mit ihm umgehen, respektvoll, bevor es zu spät ist.
Ich hatte in Boston gerade meine erste Erfahrung im Brainhacking gemacht, hatte ein Gerät ausprobiert, mit dem man sein Gehirn ankurbeln kann, um aktiver oder entspannter zu werden. Mit einer App steuert man niedrigschwelligen Strom über zwei Elektroden am Kopf ins Gehirn. Der Strom soll das vegetative Nervensystem beeinflussen, um für mehr Energie oder Entspannung zu sorgen. Eine interessante Erfahrung. Der Test hat bei mir gewirkt. Ich war sehr energetisch. So energetisch, dass ich mich mehrmals übergeben musste, an Essen oder Schlafen die nächsten 36 Stunden nicht zu denken war. Diese Optimierung des Gehirns hat sich alles andere als optimal angefühlt.
Hinter dieser misslungenen Erkundungsübung steckt die Vorstellung, es könne gelingen, sich über die Ankurbelung der geistigen Kräfte noch mehr Schwung zu verleihen, erfolgreicher, begehrter und vielleicht auch glücklicher zu werden. Sie passt perfekt in unsere Zeit. Denn dies ist die Zeit der Selbstverbesserungswilligen. Fast schon prophetisch mutet in diesem Zusammenhang ein Satz an, der dem US-Managementguru Peter F. Drucker (1909-2005) zugeschrieben wird: »Was du nicht messen kannst, kannst du nicht managen.« Drucker dachte dabei sicherlich an das Management von Unternehmen, das sich an vergleichbaren Kennzahlen orientieren sollte. Heute ist diese einfache Formel zu einem Leitsatz unseres gesamten Lebens geworden: Selbststeuerung zugunsten von Selbstverbesserung, und zwar auf allen Ebenen - bis hinauf ins Gehirn.
Fast alles, was wir tun, kann vermessen und also auch verglichen werden. Mit Fitnessarmbändern, Uhren und anderen technischen Geräten ist es möglich, die eigene Leistungsfähigkeit zu erfassen, Schritte, Kalorienverbrauch, Stresslevel zu messen. Zählen und messen alleine reicht aber nicht. Es muss doch auch möglich sein, besser zu werden. Fitnessstudios versprechen, knappe zwanzig Minuten elektronischer Muskelstimulation einmal pro Woche reichten aus, um fit zu werden. Mehr Effizienz und Effektivität sorgen für ein glücklicheres Leben, für mehr Erfolg, Anerkennung, und gesünder ist das alles auch noch. Das Netzwerk »The Quantified Self« (quantifiedself.com) hat sich selbst das Credo »self knowledge through numbers« verpasst. Es ist vielleicht kein Zufall, dass die deutsche Übersetzung doppeldeutig anmutet: »the quantified self« - das vermessene Selbst.
Die Selbstvermesser haben sich erst einmal den Körper vorgeknöpft: mehr Bewegung, mehr Sport, kontrollierter Schlaf, gesünderes Essen, Smoothies, Detox, wohin das Auge reicht. Aber damit nicht genug. Inzwischen sind Selbstvermessung und Selbstverbesserung uns wortwörtlich zu Kopfe gestiegen. Auch das Denken muss besser werden. Was einmal mit Dr. Kawashimas Gehirnjogging begann, ist längst zu einem Wettrennen um die Leistungsfähigkeit des Gehirns geworden, dem kein Hilfsmittel fremd ist. Die Annahme, man könnte das eigene Denken mit technischen Mitteln schneller, präziser, besser machen - nichts anderes bedeutet Brainhacking -, übt heute einen ungeheuren Reiz auf immer mehr Menschen aus.
Es gab noch einen Nachklapp zu der Geschichte in Boston. Niemand wusste von meinem Selbstversuch. Tage später, alles war für mein Empfinden wieder normal, reiste ich zurück nach Berlin. Als ich nach Hause k
Inhalt
Kopfbahnhof
Bitte einsteigen und mitdenken
Das Gehirn als Eroberungszone: an der Schwelle zum Neurokapitalismus
Station 1
Das Gehirn Aufbruch in bekanntes und unbekanntes Terrain
Station 2
In der Dunkelkammer ein Trip durch eine Welt von Sinnen
Station 3
Die Vermessung des Gehirns auf der Suche nach dem Wie
Station 4
Die neue Frontier-Bewegung der mathematische Mensch übernimmt das Steuer
Ich jetzt noch besser: vom Verstehen-Wollen zum Brainhacking
Station 5
Selbstoptimierung das quantifizierte wird zum qualifizierten Ich
Station 6
Die 24/7-Welt schlafen heißt verlieren
Station 7
Neuro-Enhancement Pillen fürs Performen
Station 8
Siris Verwandtschaft von der Spracherkennung zum Gedankenlesen
Station 9
Brainhacking worauf nicht nur Facebook, Google & Co. zusteuern
Identität und Freiheit: Wer bin ich, und woher soll ich das noch wissen?
Station 10
Mensch-Maschine-Merger wer übernimmt hier wen?
Station 11
Nachtzug ins Gestern die Manipulation unserer Erinnerung
Station 12
Die Gedanken sind frei mentale Selbstbestimmung als Menschenrecht
Station 13
Lost in transformation wer ändert sich, wenn mein Gehirn sich ändert?
Endstation? Der telepathische Mensch allein im Universum des Geistes
Dank
Literatur
Anmerkungen