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Inmitten der Revolution 1918 bedroht die Hamburger Reederfamilie Dornhain ein Skandal. Klara, das Hausmädchen, soll die illegitime Tochter des kürzlich verstorbenen Familienoberhaupts sein. Eine schnelle Heirat wäre die Lösung, doch Klaras Verlobter ist in der Kriegsgefangenschaft in Sibirien verschollen. Die Furcht, von der alten Patriarchin ausgerechnet zu Weihnachten vor die Tür gesetzt zu werden, ist groß. Klara hofft auf die Hilfe von Ellinor Dornhain, der ältesten Tochter. Doch die muss um das wirtschaftliche Überleben der Reederei kämpfen, deren Zukunft in den Sternen über der Alster geschrieben steht ...
Micaela Jary wurde als Tochter des Filmkomponisten Michael Jary in Hamburg geboren. Sie wuchs in der Welt des Kinos und der Musik auf und arbeitete als Zeitungsredakteurin. Ihre Leidenschaft für Geschichte inspirierte sie zu den Romanen um die Hamburger Reederfamilie Dornhain. Sie lebte lange in Paris und wohnt heute mit Mann und Hund in Berlin und München.
Autorentext
Micaela Jary wurde als Tochter des Filmkomponisten Michael Jary in Hamburg geboren. Sie wuchs in der Welt des Kinos und der Musik auf und arbeitete als Zeitungsredakteurin. Ihre Leidenschaft für Geschichte inspirierte sie zu den Romanen um die Hamburger Reederfamilie Dornhain. Sie lebte lange in Paris und wohnt heute mit Mann und Hund in Berlin und München.
Leseprobe
SPA, BELGIEN
2
»Ich stelle die Verbindung her, bitte warten Sie«, flötete Lavinia in den Lautsprecher. Sie stöpselte den Leitungsstecker in die zu dem gewünschten Anschluss gehörende Buchse. »Hier kommt ein Gespräch für Sie«, teilte sie dem Empfänger des Anrufs mit.
Einen Moment später leuchtete die Glühbirne über einem anderen Klappschalter auf, eine neue Vermittlung wurde gewünscht. Es schien Lavinia, als liefen die Drähte im wahrsten Sinne des Wortes heiß. Sie war als Telefonistin des Nachrichtenkorps heute dermaßen beschäftigt, dass sie kaum die Zeit fand, einmal in Ruhe durchzuatmen. Und bei all der Hektik legte sich langsam ein sich mit jeder Stunde verschlimmernder Kopfschmerz um ihren Schädel.
Es waren pure Verzweiflung und wohl vor allem verletzter Stolz, die Lavinia Dornhain an die Westfront geführt hatten. Sie wollte weg aus Hamburg, sich darüber hinaus irgendwie nützlich machen, um ihrem verkorksten Leben einen Sinn zu geben. Zunächst war sie von ihrer Freundin verlassen worden, kurz darauf hatte sie erfahren, dass ihr Ehemann ihre Schwester liebte. Selbst nach der langen Zeit konnte Lavinia nicht sagen, welcher Umstand bei ihrer Entscheidung schwerer wog: die Trennung von Alice von Finkenstein oder Konrad Michaelis' Betrug. Jedenfalls war es richtig gewesen fortzugehen, davon war sie auch zwei Jahre nach diesen Ereignissen noch restlos überzeugt.
Mit ihrem Wunsch, in den Krieg zu ziehen, war sie anfangs auf Widerstand in ihrer Familie gestoßen. Selbst ihre Schwester Nele, die ihr versprochen hatte, sich für sie einzusetzen, konnte ihr kaum helfen. Denn Lavinia war nicht geeignet, den Weg der meisten vornehmen jungen Damen zu gehen und eine Ausbildung zur Krankenschwester zu absolvieren. Schon beim Gedanken an blutige Verbände und volle Bettpfannen drehte sich Victor Dornhains behütetster Tochter der Magen um. Zwar nahmen Lazarettschwestern in der Gesellschaft inzwischen die Stellung von Engeln auf Erden ein, aber selbst dieses hohe Ansehen brachte Lavinia nicht dazu, sich zu überwinden. Alle wussten das - und deshalb förderte niemand ihre Ambitionen.
Die zweite Möglichkeit, dem Vaterland zu dienen, war im Etappendienst. In der Regel wurden diese Tätigkeiten von Frauen ausgeübt, für die es bei Dornhains Personal gab. Schlimmer noch: Frauen, die ihren Dienst als Erdarbeiterinnen oder Pferdemusterer, in Munitionsdepots und Feldküchen leisteten, standen sogar meist auf einer - äußerst niedrigen - Stufe mit den Lohndienern zu Hause. Glücklicherweise wurden an der Front jedoch auch Sekretärinnen und Telefonistinnen benötigt, die aufgrund der erwarteten Vorkenntnisse bessergestellt sein mussten. Schreibarbeiten lagen Lavinia nicht, aber sie hatte immer schon gern telefoniert; ihre gebildete Sprache und ihre angenehme Stimme schienen sie für diese Aufgabe zu qualifizieren. Einzig ihre Ehe bedeutete anfangs ein Hemmnis, denn nur unverheiratete Frauen durften den Postdienst aufnehmen. Victor Dornhain erreichte jedoch schließlich eine Sondererlaubnis für seine jüngste Tochter, zumal Lavinia keine Beamtenlaufbahn anstrebte und ihren Lohn von knapp tausend Mark im Jahr der Kriegskasse spenden würde.
Also wurde sie im Fernmeldeamt an der Schlüterstraße ausgebildet, wo sie sich ausgesprochen gut machte, und anschließend dem weiblichen Nachrichtenkorps an der Westfront zugeteilt. Dass sie ihren Dienst inzwischen im Großen Hauptquartier Seiner Majestät des Kaisers und Königs bei der Obersten Heeresleitung versah, lag allerdings weniger an ihrem Fleiß oder einer besonderen Geschicklichkeit an der Schalttafel, sondern vor allem wieder einmal an ihrer Herkunft. Sie war zwar nicht adelig, wie dies im Bürgertum der Hansestadt trotz tief verwurzelter Kaisertreue traditionell selbst für die ältesten und reichsten Familien üblich war, aber ihr Stand kam dem eines preußischen Junkers sehr nahe. Der Tochter ei