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Texas 1891. Charlotte Atherton hätte nie gedacht, dass ausgerechnet sie einmal drei Kinder entführen würde. Doch das Leben lässt der angesehenen Lehrerin keine andere Wahl. Mitten in der Nacht macht sie sich mit den Kleinen aus dem Staub. Und zunächst scheint alles gut zu gehen. Sie ahnt nicht, dass ausgerechnet Stone Hammond auf sie angesetzt wurde ein früherer Kopfgeldjäger mit einer erstaunlichen Erfolgsbilanz. Und sie ahnt auch nicht, dass die Begegnung mit ihm ihr Leben für immer verändern wird
Autorentext
Karen Witemeyer liebt historische Romane mit Happy End-Garantie und einem überzeugenden Bezug zum christlichen Glauben. Nach dem Studium der Psychologie begann sie mit dem Schreiben. Zusammen mit ihrem Mann und ihren drei Kindern lebt sie in Texas.
Leseprobe
Prolog Februar 1891 Austin, Texas Sullivans Akademie für außergewöhnlich begabte Kinder und Jugendliche Ich schließe die Schule, Miss Atherton, und das ist mein letztes Wort zu diesem Thema. Dr. Keith Sullivan schloss das Anwesenheitsbuch auf seinem Schreibtisch mit einem lauten Knall und erhob sich, was Charlotte dazu zwang, ebenfalls aufzustehen. Ich habe allen Eltern telegrafiert und sie über die Schließung informiert. Natürlich habe ich angeboten, ihnen einen Teil des Schulgeldes zurückzuerstatten, um sie für die Unannehmlichkeiten zu entschädigen, die ein früher beendetes Schuljahr mit sich bringt. Eine Rückerstattung des Schulgeldes? Von dem Mann, der sich in den letzten Jahren konsequent geweigert hatte, auch nur in ein einziges neues Lektüreheft zu investieren? Charlotte musste aufpassen, dass sie ihn nicht mit offenem Mund anstarrte. Es musste eine andere Geldquelle geben eine, die groß genug war, den Verlust des Schulgeldes zu verschmerzen. Dr. Sullivan verlangte übertrieben hohe Gebühren für seine exklusive Schule. Nur die bemerkenswertesten Schüler wurden hier angenommen es sei denn, eine besonders reiche Familie wollte ihr Kind hierherschicken. In diesem Fall schien eine wohlplatzierte Spende die fehlende Begabung wettzumachen. Charlotte konnte sich kaum vorstellen, wie groß Dr. Sullivans anderweitiger Verdienst sein musste, dass er ihn dazu veranlasste, die Akademie zu schließen. Charlotte machte den Weg frei, als ihr Arbeitgeber um seinen Schreibtisch herumkam, und marschierte ihm dann entschlossen hinterher. Was ist mit Stephen Farley? Seine Eltern sind in Europa. Sie können ihn unmöglich abholen, bevor wir die Schule schließen. Und John Chang ist Waise und mit einem Stipendium hier. Er hat niemanden, zu dem er gehen könnte. Sie selbst bezahlte das Schulgeld des chinesischen Jungen seit drei Jahren von ihren monatlichen Einkünften. Charlotte hatte darum gekämpft, dass er in die Akademie aufgenommen wurde, nachdem die Leiterin des St.-Petrus-Waisenhauses sie auf ihn aufmerksam gemacht hatte. John war erst vier Jahre alt gewesen, doch als er auf die wurmzerstochene Bank des alten Klaviers geklettert war und fehlerfrei jede Note von Fanny Crosbys Sicher in Jesu Armen gespielt hatte, hatte sie gewusst, dass sie den Jungen unterrichten musste. Gott hatte ihm eine außergewöhnliche Begabung geschenkt und den Kleinen aus einem ganz besonderen Grund in ihr Leben gebracht. Sie konnte sich jetzt nicht von ihm trennen. Sie kommen beide erst einmal in St. Petrus unter. Es ist bereits alles in die Wege geleitet worden. Charlotte musste den Protest niederringen, der in ihr aufstieg. Stephen würde mit seinem zarten Gemüt keinen einzigen Tag an diesem Ort durchstehen. Und John um Himmels willen! Dem Jungen war von den anderen Kindern aufgrund seiner fremden Herkunft schon als Kleinkind übel mitgespielt worden. Als er damals an die Akademie gekommen war, war er so traumatisiert gewesen, dass er monatelang kein einziges Wort gesprochen hatte. Nach Charlottes Dafürhalten war er immer noch sehr mitgenommen. Wenn er nun wieder zurück ins Heim käme, würde sich der Junge mit Sicherheit völlig in sich zurückziehen. Und was sollte aus Lily werden? Eisige Scherben durchbohrten Charlottes Herz, als eine dunkle Ahnung in ihr aufstieg, warum sich Dr. Sullivan so seltsam verhielt. Miss Dorchester bleibt natürlich bei mir, machte Charlotte klar. In dieser Hinsicht würde sie keine Widerworte zulassen. Dr. Sullivan wandte sich zu ihr um. Seien Sie nicht albern, Miss Atherton. Sie sind die Schulleiterin und nicht die Mutter des Kindes, auch wenn Rebekka Dorchester Sie dieses Dokument hat unterschreiben lassen. Lily wird dorthin zurückkehren, wo sie hingehört, zu ihrem Großvater. Er wird sie gleich morgen früh abholen. Sie, meine Teuerste , sagte er mit einem plötzlich aufgesetzten Lächeln, das das Eis in Charlottes Brust jedoch nicht im Geringsten schmelzen ließ, werden bestimmt in Rekordzeit eine neue Anstellung finden. Hier. Er zog ein Blatt aus dem Papierstapel in seinen Armen hervor. Ich habe mir erlaubt, Ihnen eine Liste mit potenziellen Arbeitgebern zusammenzustellen. Es sind einige der besten Lehranstalten des Landes. Charlotte nahm ihm das Blatt ab und musste ihre Hand dazu zwingen, nicht zu zittern. Chicago. Boston. Charleston. Ihre Augen wanderten weiter über die Liste. Alle so weit weg. Dr. Sullivan strahlte sie an. Sie sind eine brillante Musiklehrerin, Miss Atherton, und haben auch Ihre Fähigkeiten in Verwaltungsaufgaben unter Beweis gestellt. Ich habe schon Empfehlungsschreiben an all diese Institutionen geschickt. Jede wäre froh, Sie einzustellen. Aber keine würde sie akzeptieren, wenn sie ein Kind bei sich hätte. Charlotte blickte von dem Zettel auf und sah ihrem Arbeitgeber in die Augen keine schwere Aufgabe, da der Mann einige Zentimeter kleiner war als sie. Und es war auch nicht schwer, die Schuldgefühle hinter seinem aufgesetzten Lächeln zu erkennen. Die Liste der Schulen, die Empfehlungsschreiben, unangebrachte Komplimente alles Besänftigungsversuche für sein eigenes schlechtes Gewissen. Er wusste, dass seine Angestellten mitten im Schuljahr Probleme haben würden, eine neue Anstellung zu finden, genau wie er wusste, dass es falsch war, den Kindern, die er zu unterrichten versprochen hatte, den Rücken zu kehren. Trotzdem schloss er die Akademie. Schloss sie und ließ Charlotte damit keinerlei Spielraum. Wenn sie weiterhin unterrichten wollte, würde sie Lily Dorchester in die Obhut ihres Großvaters geben müssen. Nun, er mochte denken, dass er sie in die Enge getrieben hatte, doch wenn sie mit ihren achtundzwanzig Jahren eins gelernt hatte, dann das, dass man immer eine Wahl hat. Immer. Nachdem Dr. Sullivan ihr auf seine unverwechselbar herablassende Art zugenickt hatte als hätte sie kein Gehirn, um selbst nachzudenken, und wäre auf die Anweisungen eines Mannes angewiesen , hielt er ihr die Tür auf und bedeutete ihr, sein Büro zu verlassen. Charlotte biss sich auf die Zunge, als sie über die Schwelle schritt, und beschloss, diese Liste sofort in den Ofen zu werfen, wenn sie auf ihrem Zimmer war. Ihre Karriere konnte sie opfern. Lily zu schützen, hatte oberste Priorität. Als die Nacht die Schulflure in Dunkelheit hüllte, stellte Charlotte ihre beiden Reisetaschen vor ihre Tür und sah sich noch ein letztes Mal in ihrem Zimmer um. Der Teppich lag parallel zu den Dielen. Auf dem Schreibtisch lagen keinerlei Papiere mehr. Die Tagesdecke auf ihrem Bett wies keine einzige Falte auf. Es war alles, wie es sein sollte. Sie nickte zufrieden und war sich bewusst, dass diese Geste auch als Abschied würde ausreichen müssen, denn sie würde nicht zurückkehren. Zehn Jahre lang hatte sie hier an der Akademie unterrichtet sieben als Musiklehrerin, drei als Schulleiterin. Tief in ihrem Inneren verspürte sie einen kleinen Schmerz angesichts des Verlustes des Vertrauten, des Sicheren. Doch sie hatte keine Zeit für Sentimentalitäten. Sie hatte ein Versprechen gegeben ein Versprechen, das sie halten würde, egal was es kostete. Charlotte wandte sich um und zog die Tür leise hinter sich zu. Dann schlich sie auf Zehenspitzen zu der Treppe, die zum oberen Flur und dem Jungenschlafsaal hinauff…