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Die Revolution der Arbeiter und Soldaten von 1918 war eine historische Chance - dafür, ein demokratisches Deutschland zu schaffen, das stärker gewesen wäre als die Weimarer Republik. In wenigen Tagen erreichen sie, was der Sozialdemokratie in Jahrzehnten nicht gelungen war: die überlebte, autoritäre Ordnung des Kaiserreichs zu stürzen. Es ist die Tragödie der Revolution, dass ihre eigenen Führer sie fürchteten - zu Unrecht. Denn das Ziel der meisten Revolutionäre war nicht, wie es in der Rückschau oft erschien, ein kommunistisches Regime wie in Russland zu errichten. Das Aufbegehren in Deutschland hatte vor allem das Ziel, die alten Eliten der Kaiserzeit zu entmachten, besonders das Militär und die Kriegstreiber von 1914. Für einige wenige Wochen hat die Revolutionsregierung, geführt von der SPD, die Gelegenheit dazu - und nutzt sie nur halbherzig. So bleiben die Todfeinde der deutschen Demokratie mächtig, mit fatalen Folgen für die junge Republik. Joachim Käppner wertet Quellen und neueste Forschungsergebnisse aus und zeichnet ein gerechteres Bild der Arbeiter und Matrosen, die eine Welt aus den Angeln hoben.
Joachim Käppner ist Redakteur und Autor bei der Süddeutschen Zeitung. Der promovierte Historiker veröffentlichte u.a. 'Erstarrte Erinnerung. Der Holocaust im Spiegel der DDR-Geschichtswissenschaft' (1999) und ist Herausgeber und Mitautor von 'Die letzten 50 Tage: 1945 - als der Krieg zu Ende ging' (2005) und 'Befreit, besetzt, geteilt. Deutschland 1945-1949' (2006). Im Berlin Verlag erschienen von ihm 'Die Familie der Generäle. Eine deutsche Geschichte' (2007) und 'Berthold Beitz' (2010). Joachim Käppner lebt in München.
Vorwort
Die vertane Chance zur Demokratie
Autorentext
Joachim Käppner ist Redakteur und Autor bei der Süddeutschen Zeitung. Der promovierte Historiker veröffentlichte u.a. "Erstarrte Erinnerung. Der Holocaust im Spiegel der DDR-Geschichtswissenschaft" (1999) und ist Herausgeber und Mitautor von "Die letzten 50 Tage: 1945 - als der Krieg zu Ende ging" (2005) und "Befreit, besetzt, geteilt. Deutschland 1945-1949" (2006). Im Berlin Verlag erschienen von ihm "Die Familie der Generäle. Eine deutsche Geschichte" (2007) und "Berthold Beitz" (2010). Joachim Käppner lebt in München.
Leseprobe
»Behüt dich Gott, es wär zu schön gewesen«: Einführung
Die deutsche Revolution lag kaum ein Jahr zurück, da schrieb ihr Kurt Tucholsky 1919 schon eine Grabrede:
Behüt dich Gott, es wär zu schön gewesen,
behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein (...)
Wir dachten schon: Jetzt gilts den Offizieren!
Wir dachten schon: Hier wird nun ernst gemacht.
Wir dachten schon: Man wird sich nicht genieren,
... das Feuer brennt einmal ... es ist entfacht ...
Wir dachten schon: Nun kommt der Eisenbesen ...
Doch weicht der Deutsche sich die Hosen ein.
Behüt dich Gott, es wär zu schön gewesen,
behüt dich Gott, es hat nicht sollen sein![1]
Behüt dich Gott: Tucholskys Text aus der Weltbühne rührt noch heute an, ein Jahrhundert später. Eine tiefe Trauer spricht daraus, Trauer um eine verlorene Möglichkeit, um eine einmalige, verpasste Chance. Dabei hatte die Revolution zu diesem Zeitpunkt eigentlich Gewaltiges erreicht: den Sturz des Kaiserreichs und seiner gestrigen Ordnung, eine Nationalversammlung, welche die erste deutsche Demokratie aus der Taufe hob; ein modernes Wahlrecht, die fortschrittlichste Verfassung und die tiefgreifendsten Sozialgesetze, die es in Deutschland je gab. Und doch. Der Schriftsteller spürte mit wachem Geist, wie labil diese neue Demokratie sein würde, wie mächtig die alten Gewalten noch waren. Wir dachten schon, es galt den Offizieren? Aber sie waren immer noch da, ebenso wie die Juristen und Verwaltungsbeamten des alten Obrigkeitsstaates, die Industrieführer und rechten Zeitungszaren und die vielen anderen, die der jungen Republik von Beginn an nach dem Leben trachteten. Nur wenige Jahre später, 1933, war die deutsche Freiheit tot.
»Was auf Weimar folgte, war so schrecklich, daß wir das Scheitern der ersten Republik zu den großen Katastrophen der Weltgeschichte rechnen müssen«, schrieb der Berliner Historiker Heinrich August Winkler 1991 in seinem glänzenden Buch Weimar 1918 - 1933. Geschichte der ersten deutschen Demokratie, und wer sich mit diesem Scheitern befasse, leiste »damit notwendigerweise immer auch Trauerarbeit«.[2] Die Revolution von 1918, die nach Weimar führte, blieb unvollendet, widersprüchlich, zwiespältig. Sie fegte das wilhelminische Kaiserreich beiseite, ließ seine Institutionen aber bestehen; sie stützte sich in ihren Anfängen auf Hunderttausende bewaffnete Soldaten und fand schon zwei Monate später kaum noch Freiwillige, welche die Regierung bewachen mochten; sie begann mit der Verheißung einer neuen Ära und Ordnung und endete mit den Massakern, verübt von rechtsradikalen Freikorps, in einem jahrelangen, zähen, immer wieder aufflackernden Bürgerkrieg.
Der Anfang der deutschen Republik liegt im Schatten ihres Untergangs. Inkonsequenz, Zögern und Schwäche scheinen für viele das Kennzeichen der Revolution wie der aus ihr hervorgegangenen Demokratie zu sein; und so hat diese Revolution vergleichsweise wenig Spuren im kollektiven Gedächtnis hinterlassen, außer Momentaufnahmen wie der Ausrufung der deutschen Republik durch den Sozialdemokraten Philipp Scheidemann am 9. November 1918 und das grässliche Ende der linken Revolutionäre Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht wenige Wochen später.
In anderen demokratischen Staaten wäre der Sturz der alten Throne der Stoff, aus dem die Mythen der eigenen Gründungsgeschichte gewebt werden: Männer und Frauen, die sich der Ungerechtigkeit entgegenstellen, ihr Leben riskieren, um eine bessere Welt zu schaffen. Der Sturm auf die Bastille und die Französische Revolution 1789 sind ein Beispiel dafür, so wie der Unabhängigkeitskrieg der USA 1775 bis 1783, der Aufstand Simon Bolivars gegen die spanischen Kolonialherren in Südamerika ab 1810; der Sieg der Nordstaaten gegen die Sklavenhalter im amerikanischen Bürgerkrieg 1861 bis 1865. In der Überl
Inhalt
" Behüt dich Gott, es wär zu schön gewesen " : Einführung " Dann fahr mal alleine los ! " : Oktober 1918 - eine deutsche Revolution " Geh weg, Schwein, stinkst " : Hochmut und Hybris der Marine " Der 1. Schuß hat unberechenbare Wirkung " : Der Funke von Wilhelmshaven " Soldaten, schießt nicht auf Arbeiter ! " : Feuer in Kiel Zwei Revolutionäre : Karl Artelt und Lothar Popp Tod auf SMS König : Die Revolution und ihre Feinde Flammen des Aufruhrs : Die Revolution breitet sich aus Rückblick : Die SPD und das Kaiserreich bis 1918 " Der Dreck des Parlamentsapparats " : Im wilhelminischen Deutschland Sozialismus, Freiheit, Ohnmacht : Die Welt der Arbeiterbewegung Götter und Genossen : Das Militär gegen den " inneren Feind " " Nicht schießen wollen wir auf euch " : Die SPD als Friedenspartei Burgfrieden, Friedhofsruhe : Im Ersten Weltkrieg " Das Herz hätte einem springen mögen " : Um die Seele der Partei " Mich fröstelt, und ich brauche Wärme : " Die Spaltung der Sozialdemokratie Feindliche Brüder : Friedrich Ebert und Hugo Haase " Da lehnen sie, die weichen Besen " : Entscheidung in Gotha " 1500 Hände wie zum Schwur " : Die Januarstreiks 1918 Novembersturm : Die Throne wanken " Sie sehen aus wie Gespenster " : Die brechende Front " Bist Du von Gott verlassen ? " : Die Bürde der Macht Fake News 1918 : Die Geburt der Dolchstoßlegende " Die Toten reiten schnell " : Der Sturz des Kaiserreichs 1 " Die Nacht verlief verhältnismäßig ruhig, abgesehen von kurzen Schießereien " : Die Revolution überrollt das Reich Freiheit des Andersdenkenden : Die gespaltene Arbeiterbewegung " Es lebe die deutsche Republik " : Der 9. November 1918 " Ersatzbataillon 48 versagt den Gehorsam " : Generäle ohne Soldaten " Nicht unter dem Befehl Eurer Majestät " : Die Stunde des Kanzlers " Scheidemann, komm schnell " : Die Ausrufung der…