

Beschreibung
Sie wollen in Izmir einen Teppich kaufen? Oder einen Döner? Sie kennen das Wunderwort 'ayip' nicht? Dann sollten Sie diese Gebrauchsanweisung lesen: Sie verrät Ihnen nicht nur die Feinheiten türkischer Umgangsformen, sondern auch einiges über die Sch...Sie wollen in Izmir einen Teppich kaufen? Oder einen Döner? Sie kennen das Wunderwort 'ayip' nicht? Dann sollten Sie diese Gebrauchsanweisung lesen: Sie verrät Ihnen nicht nur die Feinheiten türkischer Umgangsformen, sondern auch einiges über die Schamgrenzen im Hamam oder weshalb Mustafa Kemal Atatürks Konterfei dem Besucher aus jeder Fischbude entgegenlächelt. Iris Alanyali weiß, was ihre Landsleute umtreibt - sie berichtet von türkischen Hochzeiten und wundersam wirkendem Honig, von verträumten Buchten an der Schwarzmeerküste und dem Sündenpfuhl von Antalya. Von Istanbul, der Schönen, und Izmir, der Hässlichen. Von dem langen Weg nach Europa und den Protesten im Gezi-Park. Und von Großmüttern, die am Bosporus nach wie vor das Sagen haben.
Iris Alanyali, geboren 1969 in Sindelfingen, bereist die Türkei, seit sie ein halbes Jahr alt ist und ihr Vater sie den nassen Küssen der Verwandtschaft aussetzte. Sie arbeitet als freie Journalistin und Buchautorin und pendelt zwischen Berlin und Pennsylvania, wo sie mit ihrem Mann und den beiden Söhnen lebt.
Autorentext
Iris Alanyali, geboren 1969 in Sindelfingen, bereist die Türkei, seit sie ein halbes Jahr alt ist und ihr Vater sie den nassen Küssen der Verwandtschaft aussetzte. Sie arbeitet als freie Journalistin und Buchautorin und pendelt zwischen Berlin und Pennsylvania, wo sie mit ihrem Mann und den beiden Söhnen lebt.
Leseprobe
Darf ich vorstellen: meine türkische Oma
Eigentlich bin ich sehr untürkisch. In meiner Wohnung stehen nicht auf jedem freien Quadratzentimeter, auf Lautsprechern, Nachttischen und Kommoden, Familienfotos. Aber ein Schwarz-Weiß-Bild gibt es, das hängt über meinem Schreibtisch und ist mir heilig. Es ist über vierzig Jahre alt und hat diesen Braunstich, der die Gedanken in längst vergangene Zeiten schweifen lässt, eine Patina, die Geschichten erzählt, die von Hoffnung handeln, von Abenteuerlust und von Fernweh. Das Foto zeigt einen Balkon in Istanbul.
Im Hintergrund nur die schweren Äste eines Baums, die ins Leere hängen. Gegenlicht blendet die Welt hinter dem Geländer aus. Vor dem schmiedeeisernen Gitter sitzen sich ein junger Mann und eine ältere Frau gegenüber. Auf dem Tisch zwischen ihnen benutzte Teller. Eine Karaffe, noch halb voll mit Wasser. Ein Stück Brot, ein tulpenförmiges Glas Tee. Der junge Mann lehnt sich leicht nach vorn, sein Arm ruht lässig auf der Tischkante. Das Sakko wirft lockere Falten, die Krawatte sitzt perfekt. Gute Kleidung, sagt der Mann noch heute, ist der halbe Weg zum Erfolg.
Das hat er von seiner Mutter. Kerzengerade sitzt sie ihm gegenüber. Den Teller hat sie beiseitegeschoben, die Unterarme ruhen auf dem Tisch, die Finger sind ineinander verschränkt. Es ist kühl in Istanbul in diesen Tagen, eine leichte Wolljacke liegt über ihren Schultern. Aufmerksam hört sie ihrem Sohn zu. Er ist jetzt zweiundzwanzig, er will seinen Weg machen. Er will nach Europa. Geh, sagt seine Mutter. Gott sei mit dir.
Mein Vater ging nach Deutschland. Dort bin ich geboren und aufgewachsen. Aber wann immer ich kann, besuche ich den Balkon von Istanbul.
Er hat sich verändert. Ein modernes Stahlgeländer hat die gusseisernen Stäbe ersetzt, auch der Baum ist weg. Der Tisch und die Stühle sind inzwischen aus Plastik. Die Aussicht besteht aus einem Park vor und einem Parkplatz unter uns. Es ist wahrscheinlich der hässlichste Balkon Istanbuls, für mich aber der schönste Platz auf der Welt. Auf ihm treffen sich vier Generationen und erzählen die Geschichte meiner Familie.
Und um eines gleich klarzustellen: Außer dem weißen Tuch aus dünnem Tüll, das sich meine Oma zum Beten überwirft, gibt es in dieser Familie kein einziges Kopftuch. Auch habe ich weder acht Geschwister, noch wurde ich bei meiner Geburt zwangsverheiratet. Es handelt sich um eine ziemlich durchschnittliche türkische Mittelstandsfamilie, obwohl meine Oma wahrscheinlich sagen würde: »Wir stammen aus einer der angesehensten Familien von Izmir, der kultiviertesten Stadt der Türkei.« Mit der Geburt meiner jüngeren Schwester zog meine Oma mit ihrer Schwester allerdings nach Deutschland. Türkische Omas und Großtanten sehen ihre Hauptaufgabe nämlich darin, ihren einzigen Sohn und ihre liebreizenden Enkelinnen zu verwöhnen. Wogegen weder der einzige Sohn noch die liebreizenden Enkelinnen etwas einzuwenden haben. Die deutsche Schwiegertochter dagegen kann das manchmal in den Wahnsinn treiben.
Meistens bin ich im Sommer in Istanbul, bei meiner Tante. Kaum sitze ich mit einem Buch auf dem Balkon, kommt meine Oma, die mit meiner Großtante gern den ganzen Sommer in der Türkei verbringt, hinterhergeschlurft und reicht mir ein Kissen: »Al, kizim, nimm, mein Mädchen«, sagt sie, »erkälte dich nicht.« Nichts ist für türkische Omas so wichtig wie ein Kissen. Türkischen Omas zufolge kommt das Übel in Gestalt einer Erkältung über die Welt und hat leichtes Spiel mit ungeschützten Blasen. Das Osmanische Reich dürfte wegen schlecht gepolsterter Sättel untergegangen sein, und ich bin mir sicher, meine Oma hätte auch eine einfache Erklärung für den kläglichen Zustand so mancher türkischer Staatspräsidenten.
»Was ist nur aus der Türkei geworden«, sagt meine Großtante, die mit der Hürriyet in der Hand als Nächste den Balkon betritt. Am meisten interessieren sie in dem Boulevardblatt die Affären türkischer Filmsta
Inhalt
Darf ich vorstellen : meine türkische Oma Istanbul - der Traum von einer Stadt Wo sich die Türkei direkt neben uns niederlässt : eine Fahrt im Überlandbus Gutes Benehmen für den teutonischen Schnäppchenjäger Atatürk oder Das Pin-up gegen Kopftücher und Schnauzbärte Mehr als nur ein Flughafen : mein Izmir Wie die liebestollen Köche des Sultans die türkische Küche zu einer der besten der Welt machten Wer braucht schon seine oberste Hautschicht oder Ein Besuch im Hamam Glaube ist gut, Aberglaube ist besser Im Land der wilden Antike Zum Heulen schön oder Die Türken und ihre Liebe zur Musik Sodom und Gomorrha im Paradies : die Mittelmeerküste Als wäre der Regenwald beim Friseur gewesen : zum Tee am Schwarzen Meer Zwischen Islam und Gezi - die Türkei taumelt Kleine Aussprachehilfe Literaturhinweise
