CHF11.00
Download steht sofort bereit
Städte versinken im Meer, Vulkane zerstören weite Landschaften, Tsunamis vernichten ausgedehnte Küstenregionen und Erdbeben legen ganze Metropolen in Trümmer. Was klingt wie eine Horrorvision, hat sich tatsächlich zugetragen. Nicht zeitgleich zwar, aber praktisch vor unserer Haustür, im Mittelmeerraum, in einem Zeitraum von 900 Jahren. Der Althistoriker Holger Sonnabend, Spezialist für die historische Geografie der antiken Welt, stellt in diesem Buch die verheerendsten Naturkatastrophen der Antike dar, schildert ihre Auswirkungen und den Umgang der Zeitgenossen mit ihnen. Wie nahmen die Menschen das urplötzlich hereinbrechende Unglück war, wie deuteten sie es? Sahen sie die Götter am Werk oder fanden sie rationale Erklärungen? Nach der Katastrophe, so zeigt der Autor, bewies die antike Zivilisation eine erstaunliche Hilfsfähigkeit, deren Management meist Sache der höchsten politischen Ebene war. Die antiken Chronisten berichten auch über zahlreiche weniger schwere Katastrophen. Sie führen den Autor zu einer Reihe weiterer Aspekte der Katastrophenbetrachtung. Mitunter sahen die Zeitgenossen die Auswirkungen der zerstörerischen Naturereignisse sogar positiv: Mal entschied ein Erdbeben den Kampf gegen den Feind, einem anderen fiel ein Usurpator zum Opfer. All dies beleuchtet der Wissenschaftler Holger Sonnabend auf breiter Quellenbasis, gleichzeitig detailgetreu und im Stil eines Erzählers und sorgt so für ein ebenso informatives wie anregendes Leseerlebnis.
Leseprobe
Hinweis des Verlags: "Naturkatastrophen in der Antike" wurde sorgfältig und professionell gesetzt. Der folgende Datenbanktext erreicht das satztechnische Niveau des E-Books nicht. Katastrophenerlebnisse und Katastrophenreaktionen Moderne Katastrophenpsychologie Wie verhielten sich die antiken Menschen im Angesicht der Katastrophe? Wie nahmen sie das Geschehen wahr, wie reagierten sie darauf, wie empfanden sie das Geschehen? Verhielten sie sich entsprechend den Reaktionsweisen, die Psychologen bei der Analyse von modernen Naturkatastrophen festgestellt haben? Die moderne Psychologie unterscheidet im Rahmen der Katastrophenforschung zwischen individuellen und kollektiven Reaktionsformen. So haben F. Strian und D. Ploog in einer Publikation aus dem Jahr 1986 in Bezug auf die individuelle Seite hervorgehoben: 'Ein plötzlich hereinbrechendes lebensbedrohliches Ereignis löst normalerweise Angst aus. Diese Angst ist durch die bewusste Wahrnehmung des Bedrohungsereignisses, vor allem durch die körperlichen Angstkomponenten, gekennzeichnet. Im Angstverhalten können dabei psychomotorische Erregung, Schreien, Weinen, Gestikulieren und ziellose Bewegungsunruhe oder psychomotorische Hemmung, Reaktionsunfähigkeit, Erstarren und Ohnmacht vorherrschen. Diese vom biologischen Alarmsystem geprägten Sofortreaktionen werden normalerweise rasch von besonnenem und auf Bewältigung gerichteten Handeln abgelöst. Situationsanalyse und Bewältigungsstrategie gewinnen dann zunehmend Kontrolle über die physiologischen Spontanreaktionen.' In Bezug auf die kollektiven Reaktionsformen konstatieren die beiden Forscher: 'Die Massenpanik stellt gewissermaßen die Kollektivform der individuellen Panik dar, in der die atavistischen biologischen Alarmreaktionen außerhalb der intellektuellen Kontrolle geraten. Die von Panik ergriffene Menschenmenge handelt nach einem spontanen, zufällig aufgetretenen und situationsblinden emotionalen Leitmotiv, dessen Auswirkungen sich zumeist nicht mehr kontrollieren lassen.'Eine ignorierte KatastropheWenigstens zwei Beispiele lassen sich aus der Antike anführen, bei denen in ganz bemerkenswerter Weise die 'bewusste Wahrnehmung des Bedrohungsereignisses' definitiv nicht stattgefunden hat, zum einen in einem individuellen, zum anderen in einem kollektiven Fall. Im Jahr 64 n.Chr. trat der römische Kaiser Nero im Theater von Neapel auf, um dort seine freilich nicht von allen uneingeschränkt goutierten Gesangskünste zum Besten zu geben. Nach der Aussage des Kaiser-Biografen Sueton ereignete sich während der Vorstellung plötzlich ein Erdbeben, das die Mauern des Theaters erzittern ließ. Nero aber ließ sich nicht aus der Fassung bringen, sondern brachte das begonnene Stück ruhig zu Ende. Der Historiker Tacitus schildert den Fall etwas anders: 'Als alle Zuschauer weggegangen waren, stürzte das Theater in sich zusammen, ohne einen Menschen zu verletzen.' Diese beiden Nachrichten lassen sich vielleicht am besten so kombinieren, dass während Neros Auftritt die Erde zu beben begann, dieser Wert darauf legte, sein gerade angefangenes Stück zu beenden, danach die wahrscheinlich weniger gefassten Zuschauer in aller Eile das Theater verließen und dieses, durch das Erdbeben in seiner Stabilität bereits stark beeinträchtigt und durch den raschen Abgang der Zuschauer noch weiter strapaziert, schließlich einstürzte. Nero hingegen hatte das Bedrohungsereignis offenbar nicht bewusst wahrgenommen, er hat es ignoriert bzw. verdrängt sei es, dass er, wie von Sueton suggeriert, so von seiner Kunst besessen gewesen ist, dass er alles andere um sich herum vergaß, sei es, dass er, was wahrscheinlicher ist, in Sachen Prestige einige Pluspunkte sammeln wollte als ein Herrscher, dem auch ein Naturphänomen wie ein Erdbeben nichts anhaben kann. Eine vielleicht auf dieses Ereignis zu beziehende Wandinschrift aus Pompeji, die von dem Glück des Kaisers bei einem Erdbeben spricht, legt nahe, dass die standhafte Haltung des Kaisers von der Bevölkerung entsprechend honoriert worden ist.Eine nicht bemerkte KatastropheEin Fall von kollektiver Katastrophen-Negierung ist aus der Zeit der römischen Republik bekannt. Im Jahr 217 v.Chr. lieferten sich die Römer im Zweiten Punischen Krieg eine erbitterte militärische Auseinandersetzung mit Hannibals karthagischem Invasionsheer am Trasimenischen See in Etrurien, welche die Karthager schließlich für sich entschieden. Mitten in der Schlacht begann die Erde heftig zu beben. Nach Cicero, der sich dabei auf den zeitnächsten Autor, den römischen Annalisten Coelius Antipater (2. Jahrhundert v.Chr.) beruft, war dies Teil eines Katastrophenszenarios großen Ausmaßes: 'Während die unheilvolle Schlacht tobte, zeigten sich in Ligurien, Gallien, auf vielen Inseln und in ganz Italien so starke Erdbeben, dass eine große Zahl von Städten zerstört wurde, an vielen Orten Erdrutsche entstanden, die Flüsse in entgegengesetzter Richtung strömten und das Meer in die Flüsse eindrang.' Mag bei dieser Globalisierung und Intensivierung des katastrophalen Geschehens von 217 v.Chr. die für die Antike durchaus nicht untypische Verfahrensweise eine Rolle gespielt haben, Kriege unter den Menschen von ungewöhnlichen Turbulenzen der Elemente begleiten zu lassen (der Naturforscher Plinius teilt mit, dass im Jahr 217 v.Chr. 57 Erdbeben nach Rom gemeldet wurden), so muss die Authentizität dieses Erdbebens in Norditalien grundsätzlich nicht bezweifelt werden. Einhellig berichten nun diverse antike Autoren, dass die Kämpfenden selbst das Unglück überhaupt nicht bemerkten. Bei dem römischen Historiker Livius heißt es: 'Die Soldaten waren so erbittert aneinandergeraten, alle Aufmerksamkeit galt so sehr dem Kampf, dass keiner jenes Erdbeben spürte, das große Teile vieler Städte Italiens zerstörte, reißende Ströme aus ihrem Lauf lenkte, das Meer in die Flüsse drängte und Berge durch ungeheuren Rutsch abtrug.' Der römische Autor Florus mutmaßt in einem sehr originellen Beitrag zur antiken Diskussion der Frage, wie Erdbeben und andere Naturkatastrophen entstehen könnten, dass das Erdbeben von 217 v.Chr. das direkte Produkt des überaus verbissen geführten Kampfes und der heftigen Bewegungen von Soldaten und Pferden gewesen sei. Das Motiv der nicht registrierten Katastrophe am Trasimenischen See wird von drei weiteren antiken Autoren in ähnlicher Weise thematisiert. Der griechische Biograf Plutarch führt, indem er die bereits bekannten Katastrophenelemente…