Oona und Salinger

Eines Nachts im verrauchten Stork Club im New York City der 40er-Jahre. Der aufstrebende Schriftsteller J.D. Salinger begegnet einer Frau, deren mystische Schönheit ihn in seinen Bann zieht: der fünfzehnjährigen Oona O'Neill. Einen Sommer dauert ihre Liebesgeschichte, bis der Zweite Weltkrieg ihr ein Ende setzt. Jerry meldet sich zur Armee, und Oona geht nach Hollywood. Die glühenden Liebesbriefe des jungen Autors bleiben unbeantwortet, denn Oona lernt den späteren Vater ihrer acht Kinder kennen: Charlie Chaplin. Jerry wird Oona nie vergessen - war sie gar die Inspiration für seinen Welterfolg 'Der Fänger im Roggen'? Unverstellt, geistreich und selbstironisch erzählt Frédéric Beigbeder aus einem wenig beachteten Kapitel im Leben des Kultautors und vom größten Quell der männlichen Inspiration: dem Streben nach Jugend.

Frédéric Beigbeder, geboren 1965 in Neuilly-sur-Seine, studierte Politikwissenschaft und lebt als Kritiker und Schriftsteller in Paris. Beigbeder war zehn Jahre lang Texter einer renommierten Werbeagentur, er gilt als Enfant terrible des französischen Literaturbetriebs. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit dem Roman '39,90', der in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde, auf Deutsch erschien zuletzt 'Ein französischer Roman'. 2014 heiratete Beigbeder die 23-jährige Lara Micheli.

Vorwort
Oona O'Neill und J.D. Salinger ein Roman über die erste Liebe des Kultautors

Autorentext

Frédéric Beigbeder, geboren 1965 in Neuilly-sur-Seine, studierte Politikwissenschaft und lebt als Kritiker und Schriftsteller in Paris. Beigbeder war zehn Jahre lang Texter einer renommierten Werbeagentur, er gilt als Enfant terrible des französischen Literaturbetriebs. Der internationale Durchbruch gelang ihm mit dem Roman "39,90", der in zahlreiche Sprachen übersetzt wurde, auf Deutsch erschien zuletzt "Ein französischer Roman". 2014 heiratete Beigbeder die 23-jährige Lara Micheli.

Leseprobe

Anfang der 2010er-Jahre wurde mir bewusst, dass ich keinen Kontakt zu Altersgenossen mehr hatte. Ich war umgeben von Leuten, die alle zwanzig oder dreißig Jahre jünger waren als ich. Meine Freundin war in dem Jahr zur Welt gekommen, als ich das erste Mal geheiratet hatte. Wo waren die Angehörigen meiner Generation hin? Sie waren nach und nach verschwunden, die meisten absorbiert von ihrer Arbeit und ihren Kindern. Irgendwann hatten sie aufgehört, ihre Büros oder Häuser zu verlassen.

Da ich häufig Adresse und Telefonnummer wechselte, konnten meine alten Freunde mich nicht mehr erreichen, und gelegentlich starben auch manche von ihnen. Ich wurde den Gedanken nicht los, dass diese beiden Tragödien vielleicht miteinander in Verbindung standen (wenn man mich nicht mehr sah, endete das Leben). Aber vielleicht hatte der Mangel an Altersgenossen in meiner Umgebung eine andere Erklärung: Ich floh vor meinem Spiegelbild.

Vierzigjährige Frauen mit ihren Neurosen, die mit den meinen identisch waren, flößten mir Angst ein: Neid auf die Jugend, ein verhärtetes Herz, unlösbare körperliche Komplexe, Angst davor, nicht mehr begehrenswert zu werden oder es bereits zu sein. Die Männer in meinem Alter wiederum ergingen sich bis zum Überdruss in Erinnerungen an frühere Feste, tranken, aßen, wurden dick und verloren die Haare, während sie sich ununterbrochen über ihre Ehefrau oder über ihr Singledasein beklagten. In der Mitte ihres Lebens redeten die Leute über nichts als Geld, vor allem die Schriftsteller.

Ich war aufrichtig gerontophob geworden. Ich hatte eine neue Form der Apartheid erfunden: Ich fühlte mich nur mit Menschen wohl, deren Vater ich hätte sein können. Die Gesellschaft von Teenagern zwang mich, mir mit meiner Kleidung Mühe zu geben, nötigte mich dazu, meine Sprache und meinen kulturellen Code anzupassen: Sie machte mich wach, elektrisierte mich, ließ mich lächeln.

Um jemanden zu begrüßen, musste ich meine Handfläche auf die Handfläche meines jungen Gesprächspartners drücken, dann die Hand zur Faust ballen, gegen seine Faust schlagen und mir anschließend auf die linke Brust klatschen. Ein einfacher Handschlag hätte den Generationsunterschied verraten. Ebenso galt es, Anspielungen auf längst Vergangenes zu vermeiden, zum Beispiel durfte ich nicht sagen, ich würde mich abstrampeln wie Raymond Poulidor (»Wie wer?«). Wenn ich Klassenkameraden begegnete, erkannte ich sie nicht, freundlich lächelnd ergriff ich rasch die Flucht - Menschen in meinem Alter waren ganz entschieden viel zu alt für mich. Sorgfältig vermied ich förmliche Abendessen mit verheirateten Paaren. Alle bürgerlichen Verpflichtungen jagten mir Angst ein, ganz besonders abendliche Treffen von Vierzigjährigen in maulwurfsfarbenen Wohnungen mit Duftkerzen. Was ich den Leuten, die mich kannten, vorwarf, war genau das: dass sie mich kannten. Es gefiel mir nicht, dass sie wussten, wer ich war.

Mit fünfundvierzig Jahren wollte ich meine Jungfräulichkeit wiederhaben. Ich besuchte nur neu eröffnete Bars für verstrubbelte Kinder, glatte, kunststoffbeschichtete Clubs, die frei von jeglichen Erinnerungen waren, angesagte Restaurants, von deren Existenz meine alten Kumpel zwei oder drei Jahre später erfahren würden, wenn sie Madame Figaro durchblätterten. Hin und wieder machte ich ein junges Mädchen an, bis die mir schließlich mit gerührtem Blick erklärte, ihre Mutter sei im selben Rennen wie ich. Mein einziges Zugeständnis ans Alter: Ich twitterte nicht. Ich begriff nicht, warum man Unbekannten Sätze schicken sollte, wenn man sie in Büchern zusammentragen kann.

Ich gebe zu, dass meine Weigerung, Menschen meines Alters zu frequentieren, die Weigerung war, älter zu werden. Ich verwechselte Jugendwahn mit Jugend. Was man bei jeder Falte im Gesicht seiner Lieben sieht, ist das Wirken des eigenen Todes. Ich dachte ernsthaft, dass ich länger leben würde, wenn ich nur mit Teenagern Umgang hätte, die sich über Robert P