Gängige Gottesdiensttheorien sehen Fürbitten heute als Akt, den die Gemeinde im Priestertum aller Gläubigen ausübt. Sie bescheinigen den Fürbitten zugleich Verfallserscheinungen wie Didaktisierung, Homiletisierung oder Pastoralisierung. Dabei lassen sich in der urbanen liturgischen Landschaft zunehmend hybride oder migrantische Gemeinden mit neuen Vielfalten an Gebetspraktiken beobachten. Angesichts dessen erarbeitet die vergleichende Studie ethnographisch das implizite und explizite Wissen von Gott, das hinter fürbittender Kooperation von Menschen ganz unterschiedlicher urbaner Gemeinden steckt. Eine neue Sicht auf Fürbitten als Performance weitet den Blick auf die Aktivitäten aller Anwesenden und fokussiert, was zwischen ihnen bisher ungesehen auch körperlich und akustisch geschieht. [Interceding as Religious Performance. An Ethnographical-Theological Analysis of Three Contrasting Worship Cultures in Berlin] Current German liturgical scholarship renders the act of interceding as a pivotal means of participation. Here the congregation is seen and heard. At the same time, it is anticipated that this sovereignty of interceding as an act of the congregation is increasingly threatened by a pastoral takeover, that turns public prayer into minor homilies or lectures. Meanwhile, under the scholarly radar, today's urban liturgical landscape is pervaded by a new diversity of intercessory prayer styles. In view of this, a comparative ethnographic study of contrasting worship cultures fleshes out the rich knowledge of God that comes with different ways to intercede. Approaching intercessory prayers as performance exposes yet unseen acoustic and corporeal phenomena of cooperation between everyone present.
Autorentext
Bertram J. Schirr, Dr. theol., Jahrgang 1982, studierte ev. Theologie in Berlin, Greifswald, Oxford und Göttingen. Er ist Vikar der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-Schlesische Oberlausitz, Mitglied der Graduiertenschule für Geisteswissenschaften Göttingen und der Societas Liturgica, 2017 wurde er an der Theologischen Fakultät der Georg-August-Universität Göttingen mir der vorliegenden Arbeit promoviert.
Zusammenfassung
Gangige Gottesdiensttheorien sehen Furbitten heute als Akt, den die Gemeinde im Priestertum aller Glaubigen ausubt. Sie bescheinigen den Furbitten zugleich Verfallserscheinungen wie Didaktisierung, Homiletisierung oder Pastoralisierung. Dabei lassen sich in der urbanen liturgischen Landschaft zunehmend hybride oder migrantische Gemeinden mit neuen Vielfalten an Gebetspraktiken beobachten. Angesichts dessen erarbeitet die vergleichende Studie ethnographisch das implizite und explizite Wissen von Gott, das hinter frbittender Kooperation von Menschen ganz unterschiedlicher urbaner Gemeinden steckt. Eine neue Sicht auf Frbitten als Performance weitet den Blick auf die Aktivitten aller Anwesenden und fokussiert, was zwischen ihnen bisher ungesehen auch krperlich und akustisch geschieht. [Interceding as Religious Performance. An Ethnographical-Theological Analysis of Three Contrasting Worship Cultures in Berlin]Current German liturgical scholarship renders the act of interceding as a pivotal means of participation. Here the congregation is seen and heard. At the same time, it is anticipated that this sovereignty of interceding as an act of the congregation is increasingly threatened by a pastoral takeover, that turns public prayer into minor homilies or lectures. Meanwhile, under the scholarly radar, today's urban liturgical landscape is pervaded by a new diversity of intercessory prayer styles. In view of this, a comparative ethnographic study of contrasting worship cultures fleshes out the rich knowledge of God that comes with different ways to intercede. Approaching intercessory prayers as performance exposes yet unseen acoustic and corporeal phenomena of cooperation between everyone present.
Inhalt
INHALT Einleitung, Untersuchungsgegenstand und Problemstellung 13 1. Liturgietheoretische Fragestellungen und Forschungsstand 19 1.1 Manfred Josuttis Methoden und Machtverhaltnisse des Betens 21 1.2 Michael Meyer-Blanck Furbitten als Inszenierung und Mimesis 23 1.3 David Pluss VonInszenierung zur Performance 25 1.4 Ursula Roth Die Theatralitat und chorische Qualitat des Betens 29 1.5 Transformationsprozesse durch Pluralisierung 32 1.6 Furbitten empirisch 37 2. Theorien der Performance 51 2.1 Theorien der Performance ein Uberblick 51 2.1.1 Performance Studies Richard Schechner und Victor Turner 53 2.1.2 Erika Fischer-Lichte Performance als Auffuhrung und Herstellung von Gemeinschaft 53 2.1.3 Kaivan Eikels Performance als Ausfuhrung 56 2.2 Erganzungen Performance, Technik und Zitationalitat 59 2.2.1 Marcel Mauss Techniken des Korpers 60 2.2.2 Citationality und Iterability Zitierte Techniken der Performance 64 3. Eigene Fragestellung und Hypothesen 69 3.1 Aufnahme des liturgietheoretischen Forschungsstands 69 3.2 Aufnahme aus der Theorie der Performance und ihrer Erweiterung 71 3.3 Forschungsfrage und Hypothesen 74 4. Methoden und Feldzugang 79 4.1 Der empirische Zugriff auf Techniken der Zusammenarbeit durch Ethnographie 79 4.2 Zur Theologizitat und der Theologischen Reflexion der Untersuchung 88 4.3 Forschungsfelder 92 5. Furbitten in gemeinsamer Agitation International Christian Salvation Church 97 5.1 Szenen der Beschreibung kollektivierender Techniken 97 5.1.1 Furbitten zu Beginn des Gottesdienstes 97 5.1.2 Gebetsleitung durch Gemeindeglieder 107 5.1.3 Impromptu-Beten fur andere und fureinander 112 5.1.4 Eskalation des Betens fur andere bei einer Child Dedication 118 5.2 Interpretation: Koordiniertes Handeln in den Furbitten 121 5.2.1 Korperformierung 121 5.2.2 Kollektivierung durch Zitierungen 132 5.2.3 Anleitung und Widerstand: Verhandlung von Zusammenarbeit zwischen Leitenden und Betenden 141 5.2.4 Koordination durch Gottesbezug 155 5.2.5 Koordinierende Re-Prasentation von Anliegen 164 6. Furbitten gemeinsam, individuiert und entspannt Kirche fur Berlin 173 6.1 Szenen der Beschreibung kollektivierender Techniken 173 6.1.1 Erste Szene: Ankommen 173 6.1.2 Szenenfolgen von Furbitten 178 6.2 Interpretation: Koordiniertes Handeln in den Furbitten 189 6.2.1 Korperformierung 190 6.2.2 Kollektivierende Zitierungen 200 6.2.3 Anleitung und Widerstand: Verhandlung von Zusammenarbeit zwischen Leitenden und Betenden 210 6.2.4 Kollektivierung durch Herstellen von Gottesbezugen 221 6.2.5 Kollektivierung durch Re-Prasentation von Notsituationen 229 7. Furbitten in gemeinsamer einheitlicher Anspannung Jeremiasgemeinde 241 7.1 Szenen der Beschreibung kollektivierender Techniken 241 7.1.1 Sequenzfolge Ankommen 241 7.1.2 Szenenfolge: Gemeinsam Aufstehen und geteilte Haltung 244 7.1.3 Szene: Kollektivbildung durch Vergegenwartigung Notleidender 249 7.1.4 Szenenfolge: Kollektivierung in Responsorien und Experimenten 253 7.2 Interpretation: Koordiniertes Handeln in den Furbitten 259 7.2.1 Korperformierung 260 7.2.2 Koordination kollektiver Handlungen durch Zitierungen 271 7.2.3 Das Aushandeln des Ablaufs kollektiven Handelns in den Furbitten zwischen Leitenden und Betenden 278 7.2.4 Die Koordination kollektiven Handelns durch Gottesbezug 290 7.2.5 Koordination von Betenden durch Vergegenwartigung Notleidender 298 8. Vergleiche kollektivierender Techniken der drei Gemeinden 311 8.1 Gottesbezuge in Mikrointeraktionen der Gemeinde vor der Buhne 312 8.1.1 Zwei Ebenen der Interaktion: Dominante und subdominante Gottesanrufungen und-lokalisierungen 312 8.1.2 Mikrointeraktionale Techniken der Gottesannaherung durch Klang 314 8.1.3 Mikrointeraktionale Gottesannaherung durch Techniken der Bewegung 319 8.1.4 Vor Gott agieren und zugleich gottliche Gegenwart steigern 322 8.1.5 Abweichende Mikrointeraktionen und theologisches Korperwissen 325 8.2 Organisation von Widerstanden und Abbruchen durch die Gemeinden 329 8.2.1 Bearbeitung von Widerstanden des Korpers 329 8.2.2 Bearbeitung von Widerstand zwischen Korpern 330 8.2.3 The…