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Wissenschaftliche Reihe des Fritz Bauer Instituts
Fritz Bauer (1903 - 1968), Jude, Sozialdemokrat, Justizjurist, von den Nazis 1936 vertrieben, 1949 aus dem Exil zurückgekehrt, um am Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens tatkräftig mitzuwirken, setzte seine Hoffnungen auf die junge Generation. In Thomas Harlan (1929 - 2010), dem rebellischen Sohn des Nazi-Regisseurs Veit Harlan (1899 - 1964), der sich zeitlebens an der NS-Vergangenheit abarbeitete, sah Bauer ein Vorbild für die Jugend. Er schloss Freundschaft mit Harlan und unterstützte den Schriftsteller nach Kräften. Seine Briefe an Thomas Harlan zählen zu den wenigen erhaltenen Schreiben dieser Art von Bauers Hand, sie zeigen einen bis heute weithin unbekannten, privaten Bauer.
»Die Briefe zeigen Bauer als einen Mann von großer Intelligenz, von umfassendem Wissen und klassischer Bildung. Er litt offenbar an dieser Welt, denn eigentlich liebte er die Menschen.«, Cellesche Zeitung, 18.05.2016 »Thomas Harlan, Sohn von Goebbels' Lieblingsregisseur Veit Harlan, und Holocaust-Ankläger Fritz Bauer waren eng befreundet. Die Gründe finden sich in Briefen, die jetzt bekannt geworden sind.«, DIE WELT, 31.12.2015 »Fritz Bauers Briefe an Harlan sind ein Zeugnis der condition humaine, der gelebten Mitmenschlichkeit eines Juristen, der sein Amt als Stütze und Bürde zugleich empfand.«, Einsicht - Bulletin des Fritz Bauer Instituts, 01.10.2015 »Allein schon seine brillante Skizze, die knapp und prägnant, aber weit besser als manch anderer biografischer Beitrag die Persönlichkeit Bauers charakterisiert und in den Kontext seiner Beziehung zu Harlan stellt, lohnt die Lektüre des Buches.«, Neue Juristische Wochenschrift »Dokument einer Freundschaft« Frank Arnold, Spiegel online, 02.10.2015 »Fritz Bauer war ein großer & großzügiger Mann, der nicht nur Harlan, sondern viele Menschen finanziell unterstützt & durch sein persönliches Engagement geholfen hat, wo immer er konnte oder man ihn darum gebeten hatte. Es ist gut, dass seiner mit diesem Buch gedacht wird.« , Glanz & Elend, 12.05.2016 »Fritz Bauer verfolgte zahlreiche Nazi-Verbrecher und kämpfte für demokratische Rechtsprechung in der BRD. Eine neue Briefedition dokumentiert seine Freundschaft mit Veit Harlans Sohn Thomas.«, journal21.ch, 23.12.2015 »Über die private Seite von Fritz Bauer weiß man wenig. In Thomas Harlan fand er einen Seelenverwandten, dem er auch Gefühle anvertraute.«, Neue Zürcher Zeitung, 13.10.2015 »Den im Buch dokumentierten 131 Briefen ist ein umfänglicher, äußerst sorgfältig erarbeiteter Anmerkungsapparat zu den Briefen beigefügt, so dass die Briefe auch für Leser gut eingeordnet werden können, die mit Bauers und Harlans Vita und Wirken nicht so vertraut sind. Ein auch historisch wertvolles Buch.«, Jüdisches Leben online, 23.12.2015
Autorentext
Werner Renz ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fritz Bauer Institut. Michael Farin ist Autor und Verleger.
Leseprobe
Am Rande des Lebens: Fritz Bauer
Werner Renz
"Durch Deinen Wuschelkopf kann ich nicht fahren."
Bauer an Harlan
Für Recht und Gerechtigkeit zu arbeiten und zu leben war Fritz Bauers Credo. Nicht allein in seinem Amt, auch im Alltag strebte er danach, die Ideale der Französischen Revolution zur Geltung zu bringen. Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit waren ihm Werte, die aus der zu wahrenden Würde eines jeden Menschen erwuchsen. Frei, gleich und solidarisch konnten Menschen Bauer zufolge jedoch nur sein und leben, wenn der demokratische Staat ein Höchstmaß an Pluralismus garantierte. Zeitlebens begriff sich Bauer als Anwalt des Menschen und seiner Grund- und Menschenrechte gegenüber privater und insbesondere staatlicher Willkür.
Bauer in einer kurzen Einführung zu seinen Briefen an Thomas Harlan einigermaßen gerecht zu werden ist ein schwieriges Unterfangen, war er doch eine überaus komplexe Persönlichkeit. Wer in ihm einzig den Justizjuristen, gar ausschließlich den "Nazi-Jäger" sieht, verkennt den Menschen Bauer vollkommen und wird durch die Briefe eines Besseren belehrt.
Als im Mai 1945 Deutschland militärisch besiegt, jedoch keineswegs mental vom Nazismus befreit war, drängte es den Exilanten Bauer, die Rückkehr in die "Heimat" anzutreten. Für den 1933 aus dem Staatsdienst vertriebenen Juristen gab es als sicheren Neuanfang nach über zehn Jahren Exil allein den Justizdienst.
In seinen Ämtern als Generalstaatsanwalt bei den Oberlandesgerichten Braunschweig und Frankfurt am Main war Bauer notwendigerweise ein an das überkommene, geltende Recht gebundener Strafverfolger. Als Strafrechts- und Strafvollzugsreformer blieb er aber fortwährend ein progressiver Kriminalpolitiker, der ein der sozialen Verteidigung dienendes Behandlungsrecht forderte. Bauer strebte ein Kriminalrecht an, das sich an den Erkenntnissen der Natur- und Sozialwissenschaften orientiert, das endlich das herkömmliche Schuldstrafrecht überwindet.
Als Aufklärer, Humanist und Volkspädagoge war er ein öffentlich an den Fortschritt der Wissenschaften und an die Erziehbarkeit des Menschen glaubender Optimist. Als Privatmensch, in persönlichen Äußerungen, erwies er sich aber eher als Skeptiker, der sein Tun und Lassen selbstkritisch in Frage stellte. Auch ein glühender Patriot und zugleich ein radikaler Diagnostiker der deutschen Misere ist der Menschenfreund Fritz Bauer gewesen. All dies und vieles mehr, freilich nicht als unvereinbare Gegensätze, vielmehr als essentielle Facetten einer historischen Gestalt im Jahrhundert der Barbarei. Viele Herzen schlugen in Bauers Brust. Er war ein Mann von funkelnder Intelligenz, umfassendem Wissen und klassischer Bildung, umgetrieben von heißer Menschenliebe und verzehrender Sorge um das Menschengeschlecht. Leidenschaftlich und engagiert, rastlos und unermüdlich, selbstlos und aufopfernd arbeitete und lebte er. Liest, sieht und hört man ihn, so drängt sich der Eindruck auf, dass er an der Welt und ebenso an sich selbst nicht wenig litt, dass er gewiss ein couragierter Streiter und mutiger Kämpfer, aber auch ein seelisch Verletzter und innerlich Versehrter gewesen war.
Seine Briefe an Thomas Harlan legen diesen Befund überdeutlich nahe.
Der 1903 in Stuttgart in ein jüdisches Elternhaus geborene Bauer politisierte sich bereits in jungen Jahren. 1920 trat der Schüler des Eberhard-Ludwigs-Gymnasiums der SPD bei, und nachdem er mit 18 Jahren Abitur gemacht hatte, begann er zielstrebig das Studium der Rechts- und Wirtschaftswissenschaften. Als Student in Heidelberg, München und Tübingen engagierte er sich im "Bund Freier Wissenschaftlicher Vereinigungen", hielt Vorträge und setzte sich für die gefährdete Demokratie der Weimarer Republik ein. Zwischen den beiden Staatsprüfungen 1926 und 1928 promovierte der begabte Jurist und Wirtschaftswissenschaftler in Heidelberg bei Karl Geiler. Für den Schutz der Weimarer Republik stritt er im "Reichsbanner Schwarz-Rot-Gold" an der Seite von Sozialdemokraten wie Kurt Schumacher. Ab 1928 war er dann bei der Stuttgarter Justiz tätig, seit 1930 als Amtsrichter.
Nachdem er im März 1933 in seinem Dienstzimmer verhaftet und unter den Augen seiner stumm zuschauenden Kollegen abgeführt worden war, erlitt Bauer im KZ Heuberg und im Ulmer Garnisonsarresthaus die von den Nazis gegen ihre politischen Gegner verhängte "Schutzhaft". Nach seiner Entlassung im November 1933 war er als Sozialdemokrat und Jude den Repressionen des Regimes ausgesetzt. Vorübergehende Verhaftungen verliefen glimpflich für den Oppositionellen. Doch Bauer sah sich gezwungen, aus Deutschland zu emigrieren. Im März 1936 verließ er seine schwäbische Heimat und reiste zu seiner Schwester Margot, verheiratete Tiefenthal, die seit 1934 in Dänemark lebte.
Bauer schlug sich mehr schlecht als recht mit Gelegenheitsjobs durch und rettete sich, seine Eltern und die vierköpfige Familie Tiefenthal im Oktober 1943 nach Schweden. Der Plan der Nazis, alle Juden zu deportieren, war rechtzeitig verrate…
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