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Wer mehr als dreißig Jahre aktiver Teilnehmer und Gestalter des Kulturbetriebes ist, hat nicht mehr viele Möglichkeiten im Leben. Er wird entweder ein besserwisserisch-dröger Langweiler, ein nervensägerisch-lamentierendes Klageweib oder eben ein Satiriker. Immer wenn ihn die Zumutungen des Betriebs zu stark bedrängen, wird Michael Krüger, der eine lange Karriere als Zu-, Zwischen- und Nachrufer im Buchwesen hinter sich hat, zum Satiriker, der sein Lachen gerne mit anderen teilt.
Autorentext
Michael Krüger, geboren 1943 in Wittgendorf/Sachsen-Anhalt, lebt in München . Er war viele Jahre Verlagsleiter der Carl Hanser Literaturverlage und Herausgeber der "Akzente" sowie der "Edition Akzente" und von 2013 bis 2019 Präsident der Bayerischen Akademie der Schönen Künste. Er ist Mitglied verschiedener Akademien und Autor mehrerer Gedichtbände, Geschichten, Novellen, Romane und übersetzungen. Für sein schriftstellerisches Werk erhielt er zahlreiche Auszeichnungen, u.a. den Peter-Huchel-Preis (1986), den Mörike-Preis (2006) und den Joseph-Breitbach-Preis (2010).
Klappentext
Wer mehr als dreißig Jahre aktiver Teilnehmer und Gestalter des Kulturbetriebes ist, hat nicht mehr viele Möglichkeiten im Leben. Er wird entweder ein besserwisserisch-dröger Langweiler, ein nervensägerisch-lamentierendes Klageweib oder eben ein Satiriker. Immer wenn ihn die Zumutungen des Betriebs zu stark bedrängen, wird Michael Krüger, der eine lange Karriere als Zu-, Zwischen- und Nachrufer im Buchwesen hinter sich hat, zum Satiriker, der sein Lachen gerne mit anderen teilt.
Leseprobe
"Wer das Geistige unserer Existenz noch immer nicht ganz abgeschrieben hat, der sollte einen Besuch der Frankfurter Buchmesse nicht für unnütz erachten. Zusammen mit den ca. 300000 anderen Besuchern darf man sich zu jener kleinen geistigen Elite unserer unglücklich wiedervereinigten Nation zählen, die unabhängig von Herkunft und Bildung daran festhält, daß nur das Buch als solches geeignet ist, unsere Vergangenheit mit der Zukunft zu verbinden - unabhängig davon, ob es im Buchhandel, im e-commerce oder bei Aldi erworben wurde. Die glückliche Sekunde, da der Homo sapiens in einem unbeobachteten Moment der Evolutionsgeschichte sich das Buch erfand, um die bis dahin frei streunende Schrift - die auf Wasser und auf Stein, auf Sand und am Firmament sich verstreute - einzufangen und auf Seiten zu verteilen, ist in Frankfurt stets präsent, zumal in den Eröffnungsreden, aber gelegentlich auch danach. Man braucht nur eines der Exponate in die Hand zu nehmen und ist schon mit der Geschichte der Gattung verbunden. Diese Geschichte ist tragfähig. Tragfähiger jedenfalls als die anderen Künste, die in Frankfurt das Ende des Menschen ankündigen. Wo am Theater eine Art spermatischer Regen den Sommernachtstraum vernichtet oder in den städtischen Galerien ein unschöner Bretterhaufen die Erinnerung an die Malerei eines Dürer oder Rembrandt auslöscht, vom sogenannten Tanztheater ganz zu schweigen, da herrscht auf den Buchseiten, die die Buchmesse ausstellt, immer noch die alte Ordnung. Nur auf der Buchmesse ist die gesamte Bandbreite unserer zivilisatorischen Bemühungen erkennbar, dem flüchtigen Leben die haltbare Schrift abzutrotzen, weil erst das bunte Nebeneinander die unendliche Fülle deutlich macht, die wir jährlich als Beweis unserer unversiegbaren Imaginationskraft hervorbringen. Von den Fünf Tibetern bis zum Schnellkurs zur Erlangung eines multiplen Orgasmus (mit 28 farbigen Illustrationen für nur 16,80 DM), von den schockierenden Memoiren von Fußballspielerfrauen bis zu dem Bestseller "Straffer Bauch und fester Po" von Frau Prof. Hannelore Pilss-Samek, die in Frankfurt aus den Händen des Vorstandes des Österreichischen Verlegerverbandes, Herrn Komm.-Rat Gustav Glöckler, das Goldene Buch für mehr als 100000 verkaufte Exemplare erhält, von praktischen Ratgebern zur Herstellung von pikanten Salatsaucen bis zu der erschütternden Lebensbeichte "Mein Hamster und ich" ist in den geschmackvoll und zurückhaltend ausgestatteten Kojen in Frankfurt alles zu bestaunen, was den unerhört weiträumigen Horizont des menschlichen Trachtens nach einem immer besseren Leben ausmacht. Auch der fiktiven Liebe und anderen mehr oder weniger vergessenen Leidenschaften wird trotz der leichten Zugänglichkeit zu pornographischen Online-Programmen noch immer wortreich gedacht, wie überhaupt der sogenannte Roman in Frankfurt eine Prächtigkeit entfaltet, die allen kulturpessimistischen Besserwissern eine harsche und eindeutige Lehre erteilt. Oft verstecken sich, was man ihnen auf den ersten Blick gar nicht ansieht, sogar mehrere Romane in einem, indem sie z.B. nicht nur die Geschichte der unerfüllten Liebe der Kauffrau Karin bieten, sondern zugleich ein farbiges Panorama der Stadt Berlin. Oder man denkt, man habe lediglich eine amüsante Geschichte einer Päpstin gekauft und entdeckt dann zu seiner großen Freude, daß man sowohl eine spannende Geschichte des Vatikans sowie die Darstellung einer sexuellen Verirrung praktisch umsonst mitgeliefert bekommen hat. Diese Generosität der Verlage, dieses Verschwenden zum Leser hin, bestimmt auch die Gestaltung der Stände, an denen man sich nicht satt sehen kann ..."