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Neue Reihe:
Studien zur Weltgesellschaft
Herausgegeben von Bettina Heintz, Boris Holzer und Matthias Koenig
Armut, Entwicklung, Terrorismus und Behinderung - alles wird in einen menschenrechtlichen Bezugsrahmen gestellt. Seit wann sind Menschenrechte zu einem globalen Leitwert avanciert und weshalb? Der erste soziologische Band zu Menschenrechten im deutschsprachigen Raum geht dieser Frage aus unterschiedlichen Perspektiven nach: Er vermittelt einerseits einen Überblick über wichtige theoretische Ansätze wie dem Neo-Institutionalismus, der Systemtheorie und Hans Joas' Genealogie der Menschenrechte. Anderseits versammelt er empirische Fallstudien etwa zu Indigenenrechten, der Entstehung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, zu den Arbeitsrechten der ILO und den Rechtsverletzungen in "extraterritorialen Räumen " am Beispiel der Hohen See.
Die Reihe "Studien zur Weltgesellschaft" bietet ein Forum für die im deutschen Sprachraum bisher verstreut veröffentlichten Beiträge zur soziologischen Globalisierungs- und Weltgesellschaftsforschung. Sie knüpft an etablierte Programme an, wie die neo-institutionalistische World-Polity-Forschung und die systemtheoretische Soziologie der Weltgesellschaft, und zielt zugleich auf die kritische Auseinandersetzung mit allen sozialund geschichtswissenschaftlichen Forschungsprogrammen, die theoriebewusst globale Strukturen und Dynamiken analysieren. Studien zu globalen Institutionen und Diffusionsprozessen finden daher ebenso Eingang wie Untersuchungen zu transnationalen Bewegungen und Netzwerken sowie historische Fallstudien zu Kolonialismus, Imperialismus und der Entstehung moderner Nationalstaaten.
»Die vorliegende Publikation versammelt Beiträge auf durchgehend hohem Niveau und liefert eine Vielzahl wertvoller Anregungen über die Soziologie hinaus. Sie ergänzt jene Blickwinkel, die primär auf das positiv Rechtliche konzentriert sind, um das Bewusstsein der sozialen Dynamiken, denen Menschenrechte ihre Nicht-Festgestelltheit verdanken und kann Untersuchungen in moralphilosophischen Höhen davor bewahren, idealtypische, a-historische Menschenrechte vorauszusetzen.« Maria-Luisa Frick, Soziologische Revue, 26.10.2017
Vorwort
Neue Reihe:
Studien zur Weltgesellschaft
Herausgegeben von Bettina Heintz, Boris Holzer und Matthias Koenig
Leseprobe
Einleitung
Bettina Heintz und Britta Leisering
Weshalb Menschenrechte? 2013 verkündete Stephen Hopgood in seinem Buch The Endtimes of Human Rights, dass die Hochphase der Menschenrechte ihr Ende erreicht habe. Schuld daran sei die Allianz, die die Menschenrechtsbewegung mit den westlichen Staaten und deren Partikularinteressen eingegangen sei. Hopgood ist nicht der Einzige, der angesichts der politischen Entwicklungen der letzten Zeit eine Abschwächung der Bedeutung der Menschenrechte vermutet. Ob sich diese Endzeitdiagnosen bewahrheiten, lässt sich heute nicht entscheiden. Sie verweisen aber darauf, dass die Relevanz und Deutung der Menschenrechte historisch kontingent und immer auch umstritten ist. Diese Kontingenz und Variabilität ist der Ausgangspunkt des Bandes. Im Mittelpunkt steht der Aufstieg der Menschenrechte zu einem globalen Leitwert und die Frage, mit welchen, auch konfligierenden Interpretationen und Ansprüchen sie verbunden werden. Der Band deckt den Zeitraum von der Verabschiedung der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte 1948 bis heute ab und untersucht, auf welche Weise und mit welchen Folgen Menschenrechte seit den 1970er Jahren zu einem globalen politischen und moralischen Bezugspunkt wurden. Der Fokus liegt also auf globalen Menschenrechten, d.h. auf Rechten, auf die alle Menschen unterschiedslos einen Anspruch haben und für deren Umsetzung sich auch die Staatengemeinschaft verantwortlich erklärt.
Der Band ist im deutschsprachigen Raum der erste soziologische Sammelband zu Menschenrechten. Dagegen liegen im englischsprachigen Raum bereits mehrere Aufsatzsammlungen vor, die einen genuin soziologischen Blick auf Menschenrechte zu entwickeln suchen (etwa Morgan/Turner 2009; Hynes u.a. 2011; Madsen/Verschraegen 2013; Armaline u.a. 2015). Diese Differenz ist ein Indiz dafür, dass Menschenrechte in der deutschen Soziologie noch kein etablierter Forschungsgegenstand sind - im Gegensatz zu anderen Disziplinen, insbesondere der Philosophie, der Politikwissenschaft und der Geschichte, in der sie um einiges früher angekommen sind (vgl. nur Gosepath/Lohmann 1998; Pollmann/Lohmann 2012; Brunkhorst u.a. 1999; Hoffmann 2010; Eckel/Moyn 2012).
Der Band ist gleichzeitig der erste Band, der Menschenrechte konsequent in den Kontext der Weltgesellschaft stellt. Menschenrechte sind nicht nur ein globales Phänomen, sie sind vor allem eines, das in Kovariation mit einer Phase globaler Verdichtung entstanden ist, die allerdings eine lange Vorgeschichte hat (vgl. etwa Osterhammel 2011). Die sich nach 1945 beschleunigenden Globalisierungsprozesse, die in den 1970er Jahren von einigen Soziologen auf den Begriff einer "Weltgesellschaft" gebracht wurden (dazu Greve/Heintz 2005), sind das Umfeld, in denen die Menschenrechte groß geworden sind - oder überhaupt groß werden konnten. Die Beiträge des Bandes beschränken sich aber nicht auf die allgemeine Feststellung eines Zusammenhangs zwischen Globalisierung und Menschenrechten, vielmehr zeigen sie im Einzelnen auf, wie sich Veränderungen in den weltgesellschaftlichen Strukturen und Problemwahrnehmungen auf Menschenrechte auswirken und wie diese ihrerseits zu solchen Veränderungen beitragen können. Mit seinen weltgesellschaftlichen Bezügen und seiner Fokussierung auf globale Aushandlungsprozesse und Deutungskonflikte unterscheidet sich der Band von anderen Studien, die die lokale bzw. nationale Ebene ins Zentrum rücken oder den Aufstieg der Menschenrechte als Ergebnis punktueller Globalisierungsprozesse verstehen.
Das Anliegen, die Entwicklung der Menschenrechte vor einem weltgesellschaftstheoretischen Hintergrund zu interpretieren, verweist auf eine zweite Besonderheit des Bandes: sein Anspruch, zu einer soziologischen Theorie der Menschenrechte beizutragen. Der erste Teil des Bandes führt in die im deutschsprachigen Raum bekanntesten soziologischen Theorien der Menschenrechte ein. Mit Ausnahme der Position von Hans Joas, der als Autor leider nicht vertreten ist, werden sie von drei Vertretern dieser Theorien ausführlich vorgestellt und auf ihr Erklärungspotenzial hin geprüft: die Systemtheorie, der Stanforder Neo-Institutionalismus und die von Pierre Bourdieu inspirierte globale Feldtheorie. Die drei Theorien zeigen das Spektrum an Perspektiven auf, aus denen man sich Menschenrechten soziologisch nähern kann. Wie sie empirisch fruchtbar gemacht werden können, illustrieren die empirischen Analysen im zweiten Teil.
Der inhaltliche Fokus des Bandes liegt auf der Untersuchung des Bedeutungswandels der Menschenrechte auf globaler Ebene - auf ihrer sich ändernden und oft auch konfliktiven Interpretation und Auslegung. Dieser wissenssoziologische Zugang und seine Perspektiven für eine historische Soziologie der Menschenrechte ist eine weitere Besonderheit des Bandes. Ausgangspunkt ist die Annahme einer interpretativen Offenheit der Menschenrechte. Menschenrechte stehen nicht ein für alle Mal fest, sondern verändern sich ständig: Sie werden politisch umgedeutet, erweitert und auch rechtlich neu ausgelegt. Daraus ergeben sich Deutungskonflikte über die "richtige" Interpretation und Widersprüche in der Formulierung der Menschenrechte: Individualrechte stehen neben Kollektivrechten, das Recht auf eine eigene Kultur neben dem Bekenntnis zur Universalität der Menschenrechte. Diese Umdeutungen, Konflikte und Widersprüche stehen im Zentrum der empirischen Fallanalysen im zweiten Teil. Am Beispiel der Entstehungsgeschichte der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, der beiden UN-Menschenrechtskonferenzen 1968 in Teheran und 1993 in Wien, der Arbeitsrechte der In…
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