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Die Frage, wie das Verhältnis von Staat und Wirtschaft zu gestalten ist, erhält in Zeiten der Krise des marktwirtschaftlichen Systems eine neue Dringlichkeit. Karsten Witt fragt, ob die marktliberale Idee - unabhängig von der herrschenden politischen Meinung - ethisch überhaupt richtig ist. Seine Antwort: Freie Märkte sind in ihrer heutigen Form wohlfahrtsökonomisch nicht zu rechtfertigen. Jenseits populärwissenschaftlicher Polemik bietet dieses Buch eine kritische, interdisziplinär fundierte Auseinandersetzung mit einer der einflussreichsten Ideen der Gegenwart: dem Wirtschaftsliberalismus.
Autorentext
Karsten Witt, Dr. phil. und Dipl.-Volksw., ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Forschungsstelle Ethik des Kölner Universitätsklinikums
Klappentext
Die Frage, wie das Verhältnis von Staat und Wirtschaft zu gestalten ist, erhält in Zeiten der Krise des marktwirtschaftlichen Systems eine neue Dringlichkeit. Karsten Witt fragt, ob die marktliberale Idee - unabhängig von der herrschenden politischen Meinung - ethisch überhaupt richtig ist. Seine Antwort: Freie Märkte sind in ihrer heutigen Form wohlfahrtsökonomisch nicht zu rechtfertigen. Jenseits populärwissenschaftlicher Polemik bietet dieses Buch eine kritische, interdisziplinär fundierte Auseinandersetzung mit einer der einflussreichsten Ideen der Gegenwart: dem Wirtschaftsliberalismus.
Leseprobe
Bei diesen Regeln handelt es sich in der Realität meistens um Gesetze und Verordnungen, die einen bestimmten Ablauf des Allokationsprozesses gewährleisten sollen. Ich werde diese Teilmenge so genannter "externer Institutionen" gelegentlich auch "allokative Institutionen" nennen. Die Gesamtheit der allokativen Institutionen bezeichne ich als "ökonomisches institutionelles Arrangement" oder, in Anknüpfung an die ordoliberale Tradition in Deutschland, als "Wirtschaftsordnung". Wie sollte man Q beantworten? Welche allokativen Institutionen sind ethisch richtig? Welche Regeln sollten für die unzähligen wirtschaftlichen Aktivitäten der Menschen in einer Volkswirtschaft gelten? Zwei extreme Antworten auf diese Fragen lauten: "Es sollte überhaupt keine Regeln geben" (Anarchie) und: "Der gesamte Prozess sollte zentral geplant werden " (Zentralverwaltungswirtschaft). Anarchie und Zentralverwaltungswirtschaft kann man sich als zwei Endpunkte eines Kontinuums vorstellen, entlang dessen die Regelungsdichte immer weiter zunimmt. Im Prinzip sind daher sehr viele verschiedene Antworten auf Q denkbar (vgl. Bowles 1998: 76). De facto hat sich die Debatte um die richtige Gestaltung des Verhältnisses von Staat und Wirtschaft mittlerweile allerdings auf einige wenige Positionen beschränkt. Beide Extrempositionen werden heute praktisch nicht mehr vertreten. Die Debatte konzentriert sich auf gemäßigtere Ansätze. Eine der gemäßigteren Antworten auf Q steht in dieser Arbeit im Mittelpunkt des Interesses. Zu denjenigen, die sie vertreten, gehören auch Wohlfahrtsökonomen. Diese Antwort auf Q nenne ich die "marktliberale These". Sie lautet: (Marktliberale These) Für den Entstehungsprozess von Allokationen in real existierenden Volkswirtschaften sollten die Regeln der freien Marktwirtschaft gelten. Worum es Marktliberalen also geht, ist die Wirtschaftsordnung, die gemeinhin unter der Bezeichnung "freie Marktwirtschaft" bekannt ist. Eine genauere Charakterisierung dieses institutionellen Arrangements werde ich in Kap. 3 erarbeiten. An dieser Stelle ist es ausreichend zu wissen, dass die Befürworter der marktliberalen These für eine zurückhaltende Rolle des Staates im Wirtschaftsleben eintreten, so dass die Marktteilnehmer ihren Geschäften weitgehend unbehelligt von staatlicher Regulierung nachgehen können. Im Umgang mit der marktliberalen These muss man eine stilistische Besonderheit beachten: Häufig wird sie im gegenwärtigen Diskurs mit einer Hypostasierung des Marktes verbunden: Man solle, so die häufig anzutreffende Formulierung, die Allokation "dem Markt überlassen"; aus dem Lager der Gegner ist zu hören, der Markt solle "an die Kette gelegt werden" usw. Ich halte diese Ausdrucksweise für problematisch, da ich befürchte, dass viele Menschen zu personenähnlichen Subjekten wie "dem Markt" leichter eine (positive oder negative) emotionale Beziehung entwickeln können als zu dem, was durch diese Redeweise verdeckt wird: einem spezifischen institutionellen Arrangement, einer nicht mit letzter Genauigkeit bestimmbaren, generell aber sehr moderaten Form der Regulierung ökonomischer Interaktionen. Emotional gefärbte Beurteilungen des Marktes sind indes nicht hilfreich, um zu einer möglichst fundierten Bewertung dieses institutionellen Arrangements zu gelangen. Insofern sind auch Hypostasierungen schädlich. In vielen Fällen werde ich hypostasierende Formulierungen allerdings nicht umgehen können. So wird des Öfteren zu lesen sein, dass es mir in diesem Buch um die Rechtfertigung des "Laissez-faire", des "freien Marktes (der freien Märkte)" oder, kurz, "der Marktwirtschaft" oder "des Marktes" geht. Alle diese Ausdrücke referieren auf das in der marktliberalen These genannte institutionelle Arrangement. Ich hoffe, die vorangegangenen Bemerkungen machen einen rationaleren Umgang mit dieser Ausdrucksweise möglich. Im Ringen um die politische Antwort auf Q hatten seit dem Zweiten Weltkrieg in vielen westlichen Industrieländern mal die Regulierer und mal die Marktliberalen die Oberhand. Nachdem die verheerende Depression der späten zwanziger und dreißiger Jahre des Zwanzigsten Jahrhunderts das Vertrauen in den freien Markt stark beschädigt hatte, standen die ersten beiden Nachkriegsjahrzehnte im Großen und Ganzen im Zeichen der Lehren des Cambridge-Ökonomen Keynes, der in seinem Hauptwerk (Keynes 1936) für mehr Staatseingriffe ins Wirtschaftsleben plädierte als den Marktliberalen lieb war. In den späten sechziger Jahren begann sich das Blatt zu wenden. Man zweifelte zunehmend an der Effektivität von Staatseingriffen und Regulierungen. Die neuen Ziele hießen: Sicherung der Geldwertstabilität und Rückzug des Staates aus der Wirtschaft. Seit Beginn der achtziger Jahre erhielt diese allgemeine Entwicklung durch die aufkommende Globalisierung einen weiteren Schub, so dass Friedman, einer der einflussreichsten Befürworter und Vordenker freier Märkte im 20. Jahrhundert, gegen Ende seines Lebens zufrieden Bilanz ziehen konnte: "In country after country, the initial postwar decades witnessed exploding socialism, followed by creeping or stagnant socialism. And in all these countries the pressure today is toward giving markets a greater role and government a smaller one." (2002: viii) In dem Maße wie der "Sozialismus" als wirtschaftspolitische Doktrin in der Bedeutungslosigkeit verschwand, erstrahlte also der Stern des Liberalismus von Neuem. Die Marktwirtschaft trat allem Anschein nach ihren globalen Siegeszug an: In immer mehr Ländern wurden Steuern gesenkt, Außenhandelsbarrieren abgeschafft, die Privatisierung vorangetrieben, Löhne flexibilisiert usw. Diese Entwicklung stand zwar in einem eigenartigen Gegensatz zum öffentlichen, überwiegend globalisierungskritischen Diskurs; doch weder die Entwicklung selbst noch ihre Befürworter schienen von der öffentlichen Meinung tangiert zu werden. Doch mittlerweile scheint sich das Blatt erneut zu wenden: Spätestens seit dem Zusammenbruch der Investmentbank "Lehman Brothers" im September 2008 infolge der so genannten "Subprime-Finanzkrise" hat der Stern des Marktliberalismus deutlich an Strahlkraft eingebüßt. Auf der ganzen Welt haben Staaten sich der Lehren Keynes' erinnert und mit ungeheuren Summen die Konjunktur stabilisiert. In Abkehr von der üblichen, positiven Hypostasierung des Marktes wurden Finanzmärkte nun als "Monster" und e…