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Seit der Tötung der Deutschtürkin Hatun Sürücü in Berlin im Jahr 2005 beherrscht die Thematik der sogenannten Ehrenmorde regelmäßig die deutschen Schlagzeilen. Im Fokus der öffentlichen Debatte steht dabei insbesondere die strafrechtliche Ahndung der Taten. Aufgrund der breiten Datenbasis ist es gelungen, ein umfassendes und repräsentatives Bild der justiziellen Praxis im Umgang mit dem Phänomen der Ehrenmorde in Deutschland zu zeichnen.
Autorentext
Julia Kasselt studierte Rechtswissenschaften an der Berliner Humboldt-Universität. Nach dem ersten juristischen Staatsexamen absolvierte sie in Hamburg ein Masterstudium der Internationalen Kriminologie. Am Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg war sie anschließend als wissenschaftliche Mitarbeiterin in der kriminologischen Abteilung und Doktorandin der »International Max Planck Research School on Retaliation, Mediation and Punishment« tätig. Seit Mai 2014 ist Julia Kasselt Rechtsreferendarin am Landgericht Wuppertal.
Klappentext
Seit der Tötung der Deutschtürkin Hatun Sürücü in Berlin im Jahr 2005 beherrscht die Thematik der sogenannten Ehrenmorde regelmäßig die deutschen Schlagzeilen. Im Fokus der öffentlichen Debatte steht dabei insbesondere die strafrechtliche Ahndung der Taten. Die Justiz sieht sich häufig dem Vorwurf ausgesetzt, die Täter mit Rücksicht auf ihren kulturellen Hintergrund zu milde zu bestrafen. Tatsächlich stehen die deutschen Richter im Hinblick auf den Umgang mit diesen Fällen vor einem Dilemma: Sollen sie die Taten ausschließlich auf Grundlage der deutschen Wertvorstellungen beurteilen, um damit dem Strafbedürfnis der deutschen Mehrheitsgesellschaft zu entsprechen und Migranten zu verdeutlichen, dass sie sich an die deutsche Rechtsordnung zu halten haben? Oder erfordert das Recht des Täters auf eine individuelle, schuldangemessene Strafe eine strafmildernde Berücksichtigung seiner Sozialisation in einem fremden Kulturkreis? Bislang existierten keine empirischen Daten zu der Frage, wie die deutschen Schwurkammern dieses Dilemma zu lösen versuchen und inwieweit sie dabei der Rechtsprechung des BGH folgen. Auch wurde bisher nicht untersucht, ob »Ehrenmörder« tatsächlich milder bestraft werden als Täter vergleichbarer Tötungsdelikte. Die vorliegende Arbeit hat sich erstmals auf empirischer Basis mit diesen Fragen beschäftigt. Die Studie beruht auf einer quantitativen Analyse der Urteile in 78 Ehrenmordfällen, die in Deutschland zwischen 1996 und 2005 begangen wurden. Vergleichend wurde eine Stichprobe von 110 Urteilen in Partnertötungsfällen ohne Ehrmotiv aus demselben Zeitraum ausgewertet. Aufgrund der breiten Datenbasis ist es gelungen, ein umfassendes und repräsentatives Bild der justiziellen Praxis im Umgang mit dem Phänomen der Ehrenmorde in Deutschland zu zeichnen. Durch die Gegenüberstellung der Strafzumessung in den Ehrenmord- und den Partnertötungsfällen ist zudem ein wichtiger und aufschlussreicher Beitrag zur empirischen Strafzumessungsforschung geleistet worden.
Zusammenfassung
»Insgesamt leistet Kasselt mit ihrer Monografie, [...] einen wichtigen Beitrag, die justizielle Praxis im Umgang mit dem Phänomen der Ehrenmorde in Deutschland zu erhellen. Durch Gegenüberstellung der Strafzumessung in den Ehrenmord- und den Partnertötungsfällen leistet sie zudem einen bedeutsamen Beitrag zur empirischen Strafzumessungsforschung.« Prof. Dr. Michael Soiné, in: Archiv für Kriminologie, Band 239, Heft 3&4/2017
»Wie sich dies für wissenschaftliche Studien gehört, bietet die Dissertation in ihrer Tiefe und Detailreiche viele für Fachleute wertvolle Anregungen.« Joachim Vetter, in: Deutsche Richterzeitung, Heft 7-8/2016
Inhalt
Kapitel 1: Einleitung Kapitel 2: Das Phänomen Ehrenmord: Begriff, Ehrkonzept, Merkmale Begriffsbestimmung Merkmale von Ehrenmorden in Deutschland: Ergebnisse einer empirischen Studie Kapitel 3: Die Bewertung des Phänomens der Ehrenmorde nach deutschem Strafrecht Entwicklung der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Ehrmotiv bei Tötungsdelikten Alternative Lösungswege hinsichtlich der strafrechtlichen Bewertung von Ehrenmorden Kapitel 4: Die normativen Grundlagen der Strafzumessung im deutschen Strafrecht Die gesetzlichen Grundlagen der Strafzumessung im deutschen Strafrecht und die Kritik an der Regelung des § 46 Abs. 1 StGB Strafzumessungstheorien Die Einordnung der Straftat in den Strafrahmen Spezielle, im Hinblick auf Ehrenmorde relevante Strafzumessungserwägungen Fazit und Schlussfolgerungen für die hier untersuchte Fragestellung Kapitel 5: Fragestellungen, Methoden und Befunde der empirischen Strafzumessungsforschung Empirische Forschungsansätze und Befunde zur Erklärung von Strafmaßvariation beziehungsweise Strafungleichheit Studien über verfahrensimmanente Einflüsse auf die Strafzumessung Veränderungen in den Strafeinstellungen der Öffentlichkeit und deren möglicher Einfluss auf das Strafmaß Empirische Befunde zur Strafzumessung bei Tötungsdelikten in Deutschland Zwischenergebnis Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse aus den theoretischen sowie empirischen Strafzumessungsbefunden und Hypothesenbildung für die vorliegende Untersuchung Kapitel 6: Durchführung der empirischen Untersuchung Recherche der Ehrenmordfälle Wahl der Erhebungsmethode Durchführung der Aktenanalyse und Beschreibung des Erhebungsinstruments Beschreibung der Stichproben Kapitel 7: Ergebnisse der empirischen Untersuchung Ergebnisse der Auswertung der Ehrenmordstichprobe Die Ergebnisse der Auswertung der Vergleichsstichprobe von Partnertötungsurteilen Parallelen und Unterschiede in der Strafzumessung bei Ehrenmorden und Partnertötungen Kapitel 8: Zusammenfassung, Schlussfolgerungen und Ausblick Hintergrund, Fragestellung und Ziele der Studie Methodisches Vorgehen und Zusammensetzung der Stichproben Ergebnisse und Schlussfolgerungen Fazit und Ausblick Literatur und weitere Quellen Anhang I: Tabellen Anhang II: Kurzbeschreibung der untersuchten Ehrenmordfälle und -urteile Anhang III: Erhebungsbogen Ehrenmordprojekt MPI Anhang IV: Nacherhebungsbogen Dissertationsprojekt