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Der Hiddensee-Roman von 1911. Ein Bernstein impressionistischer Literatur. "Und über all diese Unmöglicheiten hinaus welche Erkenntnis wäre imstande, die Irrwege der Hoffnung zu beschleichen? Schweigende Ruhe lag über den Wassern. Nur ab und zu ein dumpfrollender Ton, wie aus den Abgründen verborgener Unterwelt. Kein blendendes Feiertagsleuchten, wie man es an so manchem Sonntagnachmittag dieses Sommers genossen hatte. Mehr feiernder Ernst. Alle Farben gedämpft durch die Spiegelung leichten Dunstgewölks. Besonders ein tieftöniges Violett herrschte vor, nur ganz selten einmal von smaragdener Lichtflut durchschossen. Und auch diese nicht grell. Eigen weich und warm spielte alles ineinander, wie die Strophen einer schönen Elegie. Gestern erst hatte heftiger Westwind die Wasser des Meeres stolz aufgerichtet. Und so strömten sie heute noch erinnerungschwer ans Ufer, schwollen in geheimnisvoller Fülle. Nur die kampfesfrohe Einzelwoge war aufgelöst und ihre Elemente schmiegten sich mit den verrinnenden Farben zusammen lautlos in den Sand.
Autorentext
Clara von Sydow (1854-1928) wurde in Stettin geboren, sie verlebte ihre Kindheit in Altenkirchen auf der Insel Rügen, besuchte das Lehrerinnenseminar in Frankfurt / Oder und war in Berlin als Lehrerin tätig. Ihren Lebensabend verbrachte sie in Stralsund. Sie schrieb Novellen, Romane und Gedichte. Der Roman "Einsamkeiten" (1911) ist ihr letztes und reifstes literarisches Werk.
Leseprobe
Obwohl wir mit der pommerschen Dichtung der Gegenwart ein Stück dichterisches Neuland betreten, so finden wir, daß der Grundboden unserer heimischen Literatur von der Sturmflut der ,Moderne' doch nicht fortgespült worden ist. Die ,Moderne', die ja ihrem innersten Wesen nach eine Bewegung der Großstadt war, konnte hier nicht recht Raum gewinnen, [] die pommersche Dichtung der Gegenwart ist zum größten Teil aus dem Leben der Heimat emporgewachsen. Als Max Guhlke diesen Befund für seine im Jahr 1912 in Stettin erschienene Pommersche Literaturgeschichte formulierte, kannte er Clara von Sydows 1911 in München veröffentlichten Roman Einsamkeiten vermutlich noch nicht. Er erwähnte die Autorin lediglich unter der Rubrik Frauenliteratur mit ihrer Novelle Das selbe Lied (1884) und den sozialen Erzählungen unter dem Titel Ausweg (1893). In der Einleitung zu seiner erstmaligen Gesamtdarstellung der pommerschen Literatur skizziert er eine Metapher der pommerschen Literaturlandschaft: Wie unser plattes Land von einem Höhenzuge durchbrochen ist, so läßt sich auch in unserer pommerschen Literatur [] eine beachtenswerte Hügelkette nachweisen. Zu den Großen zählt Guhlke neben wenigen anderen Ewald Christian von Kleist (17151759), Ernst Moritz Arndt (17691860) und Hans Benzmann (18691926). In zweiter Linie als Parallel-Höhenzug gedacht steht für ihn neben Karl Lappe (17731843), Philipp Otto Runge (17771810), Ernst Scherenberg (18391905), Klara Bauer (18361876), Konrad Maß (18671950) und einigen anderen auch Clara von Sydow, wobei er summarisch einschränkt: natürlich ist die Bedeutung dieser Dichter und Dichterinnen recht verschieden. Die Literaturwissenschaftlerin Roswitha Wisniewski erwähnt Clara von Sydow in ihrer im Jahr 2013 erschienenen Monographie Geschichte der deutschen Literatur Pommerns überhaupt nicht. Nur ein Dutzend Bibliotheken im deutschsprachigen Raum besitzen jeweils eines oder mehrere Werke dieser Schriftstellerin (Karlsruher Virtueller Katalog). Zwar konnten die Rügener Heimatforscher Barb und Carl Zerning in der regionalen Presse einige Beiträge über Clara von Sydow veröffentlichen (Ostsee-Zeitung, 2000; Rügen-Impressionen, 2003), doch für die literarische Öffentlichkeit und die Literaturwissenschaft ist diese Autorin nahezu vergessen. Im Zeitalter der digitalen Kommunikation, das den rauschhaften Zauberglauben erzeugt, jeder Text, jedes Bild, jede Musik sei irgendwie jederzeit verfügbar, drohte ein literarisches Lebenswerk zu verschwinden. Zweierlei Arten von Werken brechen sich selbst ihre Bahn: die Schöpfungen der ganz großen Dichter, im Laufe der Jahrhunderte; und, bestsellerhaft = quick, der Edelkitsch, schrieb Arno Schmidt in seinem Funkessay Der Waldbrand, oder Vom Grinsen des Weisen. Deshalb ist es wichtig, für das Schaffen der Guten Meister zweiten Ranges einzutreten, die sonst oft, unbeachtet, durch die Dünung der Jahrzehnte an die Ränder des Literaturmeers gespült werden. Der normale Leser sieht sie nie. Der Germanist verzeichnet, bebrillten Gesichts und plombierter Zunge, das verschollene Jahr ihres Erscheinens, Titel und Seitenzahl. Der Selbst = Schreibende bestiehlt sie, und schweigt. So stehen die Bände und Bändchen, und harren ihrer Atombombe entgegen. (Arno Schmidt: Der Waldbrand oder Vom Grinsen des Weisen. In: Belphegor. Nachrichten von Büchern und Menschen. Karlsruhe 1961.) Wie Arno Schmidts Essay für den Lausitzer Leopold Schefer (17841862), soll dieses Buch als Einstieg in eine Werkausgabe für die pommersche Schriftstellerin Clara von Sydow als einer Guten Meisterin zweiten Ranges wieder Leser gewinnen. Clara von Sydow wurde am 17. Juni 1854 in der Hafen- und Garnisonsstadt Stettin geboren. Ihr Vater, Friedrich Bernhard Oscar von Sydow, selbst Schriftsteller, stammte aus der sächsischen Bergstadt Freiberg im Erzgebirge. Er heiratete in zweiter Ehe die in der ebenfalls erzgebirgischen Bergstadt Annaberg gebürtige Ida von Hagen. In Stettin war von Sydow zehn Jahre lang Militäroberpfarrer des II. Armeekorps. Als er die Superintendentenstelle in Altenkirchen auf Rügen erhielt, die er bis zu seinem Tod 1886 bekleidete, war Clara von Sydow drei Jahre alt. Ihre Kindheit und Jugend verlebte sie im Norden der Insel Rügen. Durch ihren Vater und durch Hauslehrer erhielt sie Unterricht. Im Alter von 13 Jahren besuchte sie die Höhere Töchterschule in Frankfurt/Oder, mußte aber nach zwei Jahren ins Vaterhaus zurückkehren, um die jüngeren Geschwister zu unterrichten. 1876 bestand sie in Frankfurt/Oder das Lehrerinnenexamen. Die Angaben zu ihrer Biographie beziehen sich auf Artikel im Lexikon deutscher Frauen der Feder, Berlin 1898, und in Franz Brümmers Lexikon der deutschen Dichter und Prosaisten vom Beginn des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart, Leipzig 1913. Bereits als Jugendliche schrieb Clara von Sydow ihre ersten literarischen Texte. In Frankfurt/Oder begegnete sie Ernst von Wildenbruch (18451909), der dort als Referendar am Appellationsgericht tätig war und gleichfalls am Beginn seiner Arbeit als Schriftsteller stand, die ihn als vielbeachteten Autor des Historiendramas hervortreten lassen sollte. Wildenbruch soll, ebenso wie Paul Heyse (18301914), der Literaturnobelpreisträger von 1910, Clara von Sydow zum Schreiben ermutigt haben. Es wäre spannend, dafür Belege zu finden, hat doch der prominente Heyse in eben jener Zeit auch Theodor Storm gefördert und mit Theodor Fontane, Gottfried Keller und anderen bedeutenden Schriftstellern korrespondiert. In Clara von Sydows Werk sind Blaupausen dieser starken Mentoren jedenfalls nicht auszumachen. Nach dem Tod Oscar von Sydows zog die Familie nach Berlin. Die Mutter starb dort 1897. Clara von Sydow arbeitete als Lehrerin und schrieb weiter Novellen und Gedichte. Sie lebte in Berlin-Wilmersdorf auf drei Adressen: auf der Marburger Straße 16, der Holsteinischen Straße 14 und auf der Fasanenstraße 49, zumeist zusammen mit ihrer als Lehrerin tätigen Schwester Elisabeth. 1902 erschien Clara im Adreßbuch erstmals als Schriftstellerin, später auch wieder als Fräulein. Von 1908 bis 1910 wird Clara von Sydow im Berliner Adreßbuch nicht erwähnt, nur ihre Schwester. Hier kann bisher nur vermutet werden, daß sie in diesen Jahren wieder bei der Familie auf Rügen lebte. Demnach müßte sie die Einsamkeiten auf Rügen geschrieben haben. 1880 erschien in der auflagenstarken Illustrierten Gartenlaube in Fortsetzungen ihre stralsundische Geschichte Dorette Rickmann, 1881 in der Deutschen Rundschau in zwei Teilen die Novelle Was macht man auf Hohenstein…