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Nachhaltigkeit ist als gesellschaftliches Leitbild ein Thema auch für die Sozialwissenschaften. Bianca Baerlocher erklärt auf handlungstheoretischer Basis das Zusammenwirken von sozialen und biophysischen Phänomenen. Damit holt sie die Natur als Gegenstand in die Soziologie und stellt zugleich ein sozialtheoretisches Konzept für die Nachhaltigkeitsforschung zur Verfügung.
Autorentext
Bianca Baerlocher, Dr. phil., promovierte an der Universität Basel.
Klappentext
Nachhaltigkeit ist als gesellschaftliches Leitbild ein Thema auch für die Sozialwissenschaften. Bianca Baerlocher erklärt auf handlungstheoretischer Basis das Zusammenwirken von sozialen und biophysischen Phänomenen. Damit holt sie die Natur als Gegenstand in die Soziologie und stellt zugleich ein sozialtheoretisches Konzept für die Nachhaltigkeitsforschung zur Verfügung.
Leseprobe
Reaktorkatastrophen, Industrieunfälle, saurer Regen oder der globale Kli-mawandel gehören zu den besorgniserregenden Ereignissen unserer Zeit. Und seit den 1970er Jahren ist zunehmend eine Sensibilisierung der Wahrnehmung von globalen Umweltproblemen zu beobachten, im Zuge welcher die Einsicht wächst, dass menschliche Eingriffe in die Natur auf das gesellschaftliche Zusammenleben zurückwirken. Dies veranschaulichte insbesondere die jüngste Reaktorkatastrophe in Fukushima im März 2011. Bis jetzt kann nur erahnt werden, wie weitgreifend die Auswirkungen langfristig sind. Grundsätzlich wird aber die "modern-industrialisierte" Lebensweise durch solche Schlüsselereignisse einmal mehr infrage gestellt. Schon Ende der 1980er Jahre haben Soziologen wie Ulrich Beck oder Niklas Luhmann nach der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl die Eingriffe menschlichen Handels in die Natur soziologisch reflektiert. Die jüngste Reaktorkatastrophe von Fukushima zeigt, wie aktuell diese Beiträge immer noch sind. Es gibt allerdings einen Unterschied, der sich im Vergleich zu den Beobachtungen von vor 25 Jahren ausmachen lässt. Das in den letzten Jahrzehnten entstehende Leitbild "nachhaltiger Entwicklung" lässt hoffen, dass die Reflexionen über das Verhältnis von Gesellschaft und Natur heutzutage auf fruchtbareren Boden fallen als damals. Der Klimawandel, Bodenversiegelung, steigende Armut oder der Verlust von Biodiversität sind zu den zentralen Themen weltweiter Verhandlungen im Kontext der Nachhaltigkeit im Verlauf des letzten Jahrzehnts geworden. Die zunehmende Wahrnehmung dieser Problemlagen hat dazu geführt, dass die Idee der Nachhaltigkeit in zahlreiche politische und wirtschaftliche Agenden aufgenommen worden ist und sich in der Wissenschaft ein brei-tes Feld etabliert hat, das sich als Sustainability Science versteht. Diese Nachhaltigkeitswissenschaft zeichnet sich dadurch aus, dass sie mit "in-tegrativen" Analysen in Form von interdisziplinärer Forschung zur Lösung der genannten Problemlagen beizutragen versucht; dies, um letztendlich Handlungsoptionen für den gesellschaftlichen Umgang mit natürlichen Ressourcen aufzeigen zu können. Doch gerade die inhaltliche Verschränkung von Gesellschaft und Natur, die in integrativen Analysen und Frameworks in der Nachhaltigkeitsforschung bearbeitet werden soll, stellt die Wissenschaft vor eine große Herausforderung. Und genau diese sozialwissenschaftliche Herausforderung gedenke ich in dieser Arbeit anzugehen, um einen grundlagentheoretischen Beitrag zur Nachhaltigkeitswissenschaft zu leisten. Dazu wird es nötig sein, die Grundlagen der Soziologie im Hinblick auf die Verschränkung von Natur und Gesellschaft zu beleuchten. Denn es zeigt sich, dass sich seit Beginn der Ausdifferenzierung der Wissenschaften im 19. Jahrhundert eine methodologische Trennung von Natur- und Geisteswissenschaften vollzogen hat. Diese Trennung hat zur Folge, dass Phänomene der Natur und Phänomene des menschlichen Geistes, zu denen auch soziale Phänomene gezählt werden können, kategorisch getrennt voneinander untersucht und erklärt werden. Diese methodologischen Grundlagen gelten eben auch für eine sozialwissenschaftliche Perspektive in der Nachhaltigkeitsforschung. Denn aufgrund der methodologischen Trennung von Natur- und Geisteswissenschaften wird das jeweilige Gegenüber kategorisch ausgeblendet, sodass dem integrativen Prinzip der Nachhaltigkeit, das heißt der dynamischen Verflechtung von Natur und Gesellschaft, nicht genügend Rechnung getragen werden kann. Dies wiederum hat zur Folge, dass wesentliche Fragen des gesellschaftlichen Umgangs mit Natur auf verschiedenen Ebenen und in verschiedenen Bereichen des Zusammenlebens noch unbeantwortet bleiben. Insgesamt stellt sich die Frage, ob wir uns tatsächlich zunehmend entkoppeln von natürlichen Grundlagen, indem wir natürliche Phänomene nur ausreichend erforschen und natürliche Grenzen überwinden, oder ob wir uns eigentlich zunehmend mit der Natur im Zuge der vermeintlichen Überwindung ihrer Grenzen verpflechten. Die Frage ist somit auch, welchen Handlungseinfluss die "Natur" hat. Scheint es doch manchmal so, als determinierten Umweltereignisse auch soziale Ereignisse. Ich denke da an den Vulkanausbruch des Eyjafjallajökull, der ein europaweites Flugverbot auslöste, was wiederum etliche wirtschaftliche und politische Konsequenzen zur Folge hatte. All diesen Fragen gedenke ich mit dieser Dissertation sozialtheoretisch auf den Grund zugehen, um ein grundlegendes Verständnis dafür zu entwickeln, wie das dynamische Verhältnis von sozialer und biophysischer Welt konzipiert werden kann. Im ersten Kapitel dieser Arbeit werde ich die theoretischen Grundlagen der Sozialwissenschaften als eine Geisteswissenschaft charakterisieren und darlegen, dass das sozialwissenschaftliche Paradigma seinen Ursprung in der Modernität wissenschaftlicher Auffassungen hat, woraus sogenannte blinde Flecken in Bezug auf natürliche Phänomene resultieren. Um das klassische sozialwissenschaftliche Paradigma zu verstehen, werde ich im ersten Kapitel die Konstitution des Sozialen anhand einiger ausgewählter klassischer Soziologen erläutern. Diese Erläuterung wird in einer Art Dialektik erfolgen, denn es ist anzunehmen, dass an den Stellen, wo natürliche, das heißt auch naturwissenschaftliche Phänomene sich von der sozialwissenschaftlichen Denksphäre abgespalten haben, dennoch mögliche Schnittstellen für eine Verbindung von Natur und Gesellschaft zu identifizieren sind. Anhand der Auseinandersetzung des ersten Kapitels möchte ich Überlegungen zu einem Paradigmenwechsel anstossen, der auch im zweiten Kapitel relevant sein wird. Im zweiten Kapitel werde ich Natur-Gesellschafts-Konzepte vorstellen, die bereits einen sozialtheoretischen Beitrag zur genannten Problemstellung leisten. Es wird im Wesentlichen darum gehen, diese Konzepte auf ihre Leistungsfähigkeit für die Nachhaltigkeitsforschung hin zu hinterfragen und sie für das integrative Prinzip der Nachhaltigkeit fruchtbar zu machen. Das zentrale Forschungsdesiderat, das ich anhand der vorzustellenden Brückenkonzepte herausarbeiten werde, soll im dritten Kapitel mit einem eigenen Vorschlag zum Wechselspiel von Natur und Gesellschaft vorgestellt werden. Die Forschungslücke innerhalb der Sozialwissenschaften und damit in der Nachhaltigkeitsforschung, die ich im dritten Kapitel weiter präzisieren werde, besteht darin, dass das genannte Wechselverhältnis auf der institutionellen Ebene noch nicht ausreichend bearbeitet wurde. Diese Ebene ist aber gerade in der Nachhaltigkeitsforschung äußerst relevant, wenn es darum geht, das gesellschaftliche Handeln in Bezug auf die Nutzung natürlicher Ressourcen zu hinterfragen und alternative Handlungsoptionen aufzuzeigen. In diesem Sinne möchte ich mit meinem sozialtheoretisch begründeten Rahmenkonzept sozial-ökologischer Regime zur Fundierung der Nachhaltigkeitswissenschaft beitragen. Nach der Legung der theoretischen Basis im dritten Kapitel wird im vierten Kapitel eine empirische Verdeutlichung des Konzepts sozial-öko-…