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Er gehörte in der Weimarer Republik zu den bekanntesten Mahnern gegen die Gefahr von rechts. In der zweiten Hälfte der Zwanzigerjahre war er einer der erfolgreichsten Autoren Deutschlands und der Welt. Doch mit dem Aufstieg der Nationalisten und Nationalsozialisten sank in Deutschland die Unterstützung seiner Anhänger gegen die perfiden Anfeindungen von rechts. Das Schicksal dieses außergewöhnlich wortgewandten jüdischen Schriftstellers, der heute völlig zu Unrecht vergessen ist, zeigt, was passieren kann, wenn Demokraten nicht gegen antidemokratische Gefahren zusammenstehen. Über eines war sich Emil Ludwig jedenfalls sicher: Nicht die Stärke ihrer Gegner war für den Untergang der Weimarer Republik verantwortlich sondern die Schwäche ihrer Verteidiger. Er selbst erlebte das am eigenen Leibe. 1933 wurden seine Werke während der Bücherverbrennung auf dem Scheiterhaufen verbrannt.
Emil Ludwig gehörte in den Zwanziger- und Dreißigerjahren zu den bekanntesten und erfolgreichsten deutschen Schriftstellern und Autoren weltweit. Geboren 1881 in Breslau als Sohn eines renommierten jüdischen Augenarztes, floh er schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit seiner südafrikanischen Frau vor dem militaristischen Wesen, das er allenthalben in Preußen-Deutschland ausfindig machte, in die Schweiz. Obwohl sein Onkel der zweitreichste Mann Preußens war, entschied sich Ludwig für das unstete Leben als Schriftsteller und Journalist. Sein weltweiter Erfolg seine Bücher wurden in 28 Sprachen übersetzt kam 1921 mit seiner Biografie über Goethe. In den folgenden Jahren legte er in schneller Folge Bücher über Bismarck, Napoleon, Wilhelm II. und über den Kriegsausbruch von 1914 vor. Ursprünglich ein unpolitischer Bohemien, entwickelte er sich zu einem scharfen Kritiker der Rechten. Als bekanntester Vertreter der Historischen Belletristik, als liberaler Jude aus dem Bildungsbürgertum, als Autor der Weltbühne und als Kämpfer für Demokratie und internationale Verständigung avancierte er zum Lieblingsfeind der Rechten. Ludwig kannte viele Persönlichkeiten aus Kultur und Politik und lud viele Berühmtheiten in sein Haus am Lago Maggiore ein. Zu seinen Freunden und Bekannten zählten Walther Rathenau, Maximilian Harden, Erich Maria Remarque, Thomas Mann und vor allem auch Gerhart Hauptmann, von dem er sich später enttäuscht abwandte. Seit 1931 reiste er aus Furcht vor Mordanschlägen nicht mehr nach Deutschland. In anderen Ländern, allen voran den USA, wo er als der bekannteste Vertreter eines neuen, demokratischen Deutschland galt, wurde er zu dieser Zeit gefeiert wie ein moderner Popstar. Eine Reihe von Staatsmännern, darunter auch Josef Stalin, ließen bei ihm anfragen, ob er eine Biografie über sie schreiben wolle. 1940 emigrierte er in die USA und durfte als einziger deutscher Publizist in offizieller Mission die US-Regierung unter Präsident Franklin D. Roosevelt, den er persönlich kannte, beraten. In den fünf Jahren in den USA legte er sich mit vielen anderen Emigranten an, weil er sich für eine harte Behandlung der Deutschen nach der Niederlage des Dritten Reiches aussprach. 1945 kehrte er in seine geliebte Schweizer Heimat zurück, wurde aber von vielen deutschen Kollegen und Journalisten nun geschnitten. 1948 verstarb Emil Ludwig.
Autorentext
Armin Fuhrer lebt und arbeitet als freier Journalist, Historiker und Buchautor in Berlin. Fuhrer, der von 1993 bis 2015 bei überregionalen Medien (WELT, FOCUS) arbeitete, hat zahlreiche Bücher zu politischen, gesellschaftlichen und zeithistorischen Themen verfasst, darunter unter anderem eine Biografie über den früheren Bundespräsidenten Christian Wulff sowie Bücher über Künstliche Intelligenz und »Görings NSA«, den größten Geheimdienst im Dritten Reich.
Leseprobe
Prolog Der lange Tisch war festlich gedeckt, zum feinen Essen wurde der beste Wein aufgetragen und die Stimmung unter den geladenen Geistesgrößen und Würdenträgern war erwartungsfroh. Die Großen Zehn, eine Gruppe von hervorragenden italienischen Prominenten aus Kunst und Wissenschaft, veranstaltete ein Festessen zu Ehren des deutschen Gastes und die High Society Roms ergriff die Möglichkeit, den berühmten Mann einmal aus der Nähe zu sehen. Man schrieb Ende März des Jahres 1929. Rom, die Hauptstadt des faschistischen Italien, stand ganz im Zeichen dieses Besuches, der beinahe wirkte wie ein offizieller Staatsbesuch. Der Gast aus Deutschland sollte in den kommenden sechs Tagen von König Victor Emanuel, von Papst PiusXI. und gleich zweimal vom Herrscher Italiens, dem Duce Benito Mussolini, empfangen werden. Alle großen Zeitungen begrüßten ihn mit Porträts oder Interviews, die Schaufenster der Buchhandlungen waren geschmückt mit seinen Werken und Fotos. Doch es war nicht der deutsche Reichspräsident, der die Ewige Stadt besuchte, nicht der Reichskanzler und auch nicht der Außenminister. Der Mann, der in diesen Tagen Rom die Ehre gab, hieß Emil Ludwig. Er war kein offizieller Vertreter Deutschlands, er war Schriftsteller und Publizist, Autor berühmter Werke wie Bismarck, Wilhelm der Zweite, Napoleon und Juli14, die in Italien wie in vielen anderen Ländern reißenden Absatz gefunden hatten. Dass auch der Duce sich als Leser von Ludwigs Werken outete, mochte niemanden überraschen. Emil Ludwig, der seit 1906 seinen Wohnsitz im schweizerischen Ascona am Lago Maggiore hatte, galt Ende der Zwanzigerjahre in vielen Länder als einer der, wenn nicht als der Vertreter eines neuen, demokratischen und friedlichen Deutschland, das ein ganz anderes Bild abgab als das alte Kaiserreich vor dem Ersten Weltkrieg. Seine Reise nach Rom wurde zu einem wahren Triumphzug. Der deutsche Gesandte Konstantin von Neurath berichtete nach Berlin an das Auswärtige Amt, Ludwig sei »von italienischer Seite geradezu mit Ehrungen überschüttet worden«. Die gesamte italienische Presse habe ihn zum Teil überschwänglich gefeiert »und streute ihm als dem berühmten deutschen Historiker reichlichen Lorbeer«. Geradezu sehnsüchtig wurde in Italien darüber spekuliert, ob der große, so immens erfolgreiche deutsche Biograf möglicherweise in Bälde ein Buch über den Duce schreiben würde (tatsächlich sollte vier Jahre später ein Gesprächsband mit biografischen Zügen über Mussolini von Ludwigs Feder auf den Markt kommen). Die italienische Presse feierte Ludwigs Besuch auch nach seiner Abreise. Über einen Vortrag Ludwigs über NapoleonI. notierte der Giornale d' Italia: »Der Saal der Königlichen Gesellschaft für Vaterländische Geschichte war bis auf den letzten Platz vom ausgewähltesten Publikum Roms erfüllt. Man sah in den ersten Reihen den Kultusminister, die Vertreter des Kriegsministeriums, den Gouverneur von Rom, den Fürsten Boncompagni, den Feldmarschall Caviglia und viele Senatoren; man vermisste den deutschen Botschafter.« Und Il Messagerio schrieb: »Ein Fürst unter den Biographen. Seine Bücher haben ihm einen großen, weltumspannenden Namen geschaffen, er ist eine Berühmtheit geworden.« In Deutschland waren die Reaktionen auf die Begeisterung der Italiener dagegen durchmischt. Republikanische Politiker wie Außenminister Gustav Stresemann und die demokratischen Blätter nahmen sie mit Freude und Wohlwollen zur Kenntnis, sahen sie doch in Ludwig einen Werbeträger für dieses »neue Deutschland«, das sie selbst verkörperten. Der Reichstagsabgeordnete und ehemalige Staatssekretär Oscar A. Meyer stellte fest, Ludwig sei in Rom wie eine »geistige Großmacht« gefeiert worden. Die rechten Blätter dagegen waren missmutig und tobten, ebenso Vertreter der rechten und rechtsextremen Parteien wie der NSDAP-Gauleiter von Berlin, Joseph Goebbels. Sie verachteten diesen deutschen Juden, der für sie all das in ihren Augen Schlechte, das sie mit der Weimarer Republik verbanden, repräsentierte. Die Tatsache, dass der damalige Botschafter von Neurath (der vier Jahre später Adolf Hitlers erster Außenminister wurde) nicht zum Empfang für Ludwig erschien und ihn auch nicht zu einem Besuch in der deutschen Botschaft empfi…