Arbeit, Organisation und Mobilität lassen sich in einer globalisierten Welt kaum noch getrennt voneinander betrachten. Dies nehmen die Autorinnen und Autoren zum Anlass, die Erkenntnisse der Arbeits-, Organisations- und Migrationssoziologie aus subdisziplinärer Perspektive zu untersuchen. Der Band eröffnet damit einen neuen Blick auf zentrale Gegenstände sozialwissenschaftlicher Forschung.
Autorentext
Dr. Martina Maletzky arbeitet am Lehrstuhl Organisation, Migration, Mitbestimmung an der Ruhr-Universität Bochum. Martin Seeliger ist Promotionsstipendiat am Max-Planck-Institut für Gesellschaftsforschung in Köln. Dr. Manfred Wannöffel ist Geschäftsführender Leiter der Gemeinsamen Arbeitsstelle Ruhr-Universität Bochum/Industriegewerkschaft Metall.
Klappentext
Arbeit und Mobilität lassen sich in einer globalisierten Welt kaum noch getrennt voneinander betrachten. Dies nehmen die Autorinnen und Autoren zum Anlass, die Erkenntnisse der Arbeits-, Organisations- und Migrationssoziologie aus subdisziplinärer Perspektive zu untersuchen. Der Band eröffnet damit einen neuen Blick auf zentrale Gegenstände sozialwissenschaftlicher Forschung.
Leseprobe
Die Verbindung von Arbeit und grenzüberschreitender Mobilität im engeren (personelle Mobilität) und im weiteren Sinn (Migration) ist zuneh-mend eine gesellschaftliche Realität, die erst mit Zeitversetzung und sehr limitiert von Arbeits- und Organisationssoziologen erforscht wird (Kessel-ring/Vogl 2010; Mense-Petermann 2009; Minssen 2009). Arbeits-bezogene Mobilität wird immer mehr zu einem Imperativ moderner Arbeitswelten (Kesselring/Vogl 2010). So gab es in Deutschland im Jahr 2011 nach Daten des VDR (2012) 8,8 Millionen Geschäftsreisende, das ist ein Plus von 7,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Bei einer Zahl von 41.293.000 inländischen Erwerbstätigen bedeutet dies, dass jeder fünfte Dienstreisen angetreten hat. Dies sind im Jahr 2011 163,9 Millionen Geschäftsreisen, die 44,8 Milliarden Euro kosteten. Zwar haben die Zahlen von Geschäftsreisen insgesamt im Vergleich zu 2003 abgenommen, jedoch sind gleichzeitig für den einzelnen Arbeitnehmer Rationalisierungs- und Normalisierungsschübe erkennbar (Kesselring/Vogl 2010), bei denen es zunehmend als selbstverständlicher angesehen wird, beruflich mobil zu sein und Kompensationen bei gleichzeitigem Anstieg der Anforderungen an Arbeitnehmer geringer ausfallen als zuvor. Während die Zahl der Geschäftsreisen leicht abgenommen hat, haben langfristige Ortswechsel von Mitarbeitern grenz-überschreitend agierender Unternehmen tendenziell eher zugenommen. Bei vielen Unternehmen wird eine leichte Zunahme erwartet (Brookfield 2010). Wenig ist jedoch bislang bekannt über Folgen und Funktionen von (grenzüberschreitender) Mitarbeitermobilität für das Arbeitsleben. In der Sozialwissenschaft werden vereinzelt aus lebensweltlicher (zum Beispiel Vorheyer 2012; Cohen 1977) oder postkolonialer Perspektive (zum Bei-spiel Fechter/Walsh 2010; Leonhard 2010) Analysen betrieben, arbeits-soziologisch ist das Thema jedoch unterbeleuchtet (für Ausnahmen siehe Minssen 2013; 2009). Pries (2010b: 131ff.) weist zu Recht darauf hin, dass ein methodo-logischer Nationalismus bei der Betrachtung von arbeitssoziologischen Gegenständen vielfach zu kurz greift. Eine grenzüberschreitende Perspektive führt zu neuen Forschungsperspektiven und Ergebnissen. Dies gilt für die Erforschung der Arbeits- und Beschäftigungs- sowie Beteiligungsbedingungen. So führt die Analyse von Erwerbsarbeit aus grenzüberschreitender Perspektive zu neuen Typenbildungen wie zum Beispiel dem globalen Manager, der globalen Elite oder Bourgeoisie (Pohlmann 2009; Hartmann 1999; Gottwald/Klemm 2009), Berufs-nomaden (Vorheyer 2012), globaler Weltklasse (Kanter 1996). Auch bringt grenzüberschreitende Erwerbsarbeit Eigenheiten bezüglich arbeits- und lebensweltlicher Erfahrungen grenzüberschreitend tätiger Arbeitneh-mer sowie deren gesellschaftliche und organisationale Einbindung und Prägung hervor (Kreutzer/Roth 2006; Maletzky 2010; Klemm/Popp 2006; Mense-Petermann 2006; 2009; Wagner 2006; Minssen 2009; Minssen/Schmidt 2008; Kesselring/Vogl 2010). Grenzüberschreitende Erwerbsarbeit hat vielfach zu Grenzüberschreitung bei der Erwerbstrukturierung geführt, die die Interessenregulierung vor neue Herausforderungen stellt (Pries 2010a; 2010b; Pries/Wannöffel 2011; Whittall u.a. 2009; Seeliger 2012). Auch soziale Ungleichheiten, die aus der Verortung durch Arbeit in der Gesellschaft (re)produziert werden, sind - wie das Beispiel der Berliner Jugendlichen zeigt - aus grenzüber-schreitender Perspektive neu zu beleuchten (siehe auch Berger und Weiß 2008). Wie oben aufgezeigt sind Arbeitsorganisation, -regulierung und nicht zuletzt auch einige Formen von Mobilität an Organisationen gekoppelt und durch die Überschreitung von nationalstaatlichen Grenzen durch Güter, Dienstleistungen und Menschen geprägt (Pries 2010; Rehbein/Schwengel 2008). Dies gilt vor allem für Wirtschaftsorganisationen. So wird bei internationalen Konzernen wie Volkswagen knapp 90 Prozent des Absat-zes im Ausland generiert und sie bewegen jährlich Tausende von Men-schen durch die Welt, um die globale Wertschöpfung und eine Vernetzung der Standorte zu gewährleisten. Große Unternehmen erwirtschaften dabei zum Teil mehr als kleinere Volkswirtschaften (Rehbein/Schwengel 2008). Ihr Potenzial zur Strukturierung von Arbeitsmärkten und Arbeitspolitik wächst, der Druck, den die Verlagerung von Arbeitsplätzen auslöst, führt zu Machtverschiebungen (Trincek 2011). Arbeits- und Organisationssoziologie existieren jedoch vielfach neben-einander (Faust u.a. 2005). Zwar wurde sich den Organisationsformen von Erwerbsarbeit in der Arbeits- und Industriesoziologie lange und ausführlich gewidmet (siehe zum Beispiel die Arbeiten von Klassikern des Vereins für Socialpolitik (u.a. Bernays 1910; Max Weber 1924; 1972), sowie den Begründern der Management Science Taylor (1995) und Fayol (1929) bis hin zu einer Dokumentation neuerer Entwicklungen (Lean Production und Infragestellung der Rationalität und Effektivität von bürokratischer Arbeitsorganisation (Crozier/Friedberg 1979; Bosetzky 1988 etc.)), jedoch läßt das anfängliche Interesse schnell nach (für wenige Ausnahmen siehe zum Beispiel Maurice/Sorge 1990). Die geringe Überschneidung zwischen Organisations- und Arbeitssoziologie kann vor allem im Hinblick auf grenzüberschreitende Phänomene konstatiert werden. Weder die Organisation von grenzüberschreitender Arbeit und noch die Funktion und der Stellenwert von personeller Mobilität aus Organisationsperspektive, ebenso wenig wie die mobilitätsgenerierenden Kräfte von Organisationen und dessen Folgen sind bislang ausreichend mit Forschung bedacht worden. Organisationen und hier vor allem Grenzüberschreitende Unternehmen (GU) sind jedoch Motor und Resultat von Grenzüberschreitung. Die Organisationssoziologie widmet sich allerdings erstaunlich wenig grenzübergreifenden Organisationen (siehe zum Beispiel Einführungs-werke wie Preisendörfer (2008), Abraham/Büschges (2009) etc., in denen kein Kapitel einer internationalen Ausrichtung gewidmet ist oder nur am Rande eine Rolle spielt). Die Wechselwirkungen zwischen Organisationen und der global (ausdifferenzierten) gesellschaftlichen Umwelt werden jedoch als wichtige Forschungsperspektiven der Zukunft gesehen (zum Beispiel Tacke 2010: 355). GU und grenzüberschreitende Organisationen werden vereinzelt in wirtschaftssoziologischer und vor allem in wirtschaftswissenschaftlicher Forschung betrachtet. Hier ist die internationale Managementforschung dominant, die sich zumeist mit "praxeologischen Gestaltungsperspektiven" (Hirsch-Kreinsen 2010) auf Strategien und Strukturen von GU ausrichtet. Daran geknüpft ist die kultur- beziehungsweise institutionenvergleichende Forschung (Hofstede 1980; House u.a. 2004; Hall/Soskice 2001; Whitely 1999). Vereinzelt gibt es industrie- und organisationssoziologische Beiträ-ge, bei d…