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Weise und leicht, traurig und poetisch, erbarmungslos und ironisch
António Lobo Antunes ganz privat: In 69 kleinen Geschichten, Phantasien und Reflexionen spricht der Autor von Kindheits- und Lebenserinnerungen, von Krankheit und Tod, von der Literatur und seiner Sicht auf die Welt. Er denkt über Sherlock Holmes und Virginia Woolf nach, über die Verbindung von Geld und Seele, die Harmonie der Welt, über die portugiesische Landschaft und über die Liebe.
"Ein großartiges Kunstwerk voller Liebe und erbarmungslos, traurig und munter, poetisch und brutal, anziehend und abstossend."
Autorentext
António Lobo Antunes wurde 1942 in Lissabon geboren, studierte Medizin und war während des Kolonialkrieges Militärarzt in Angola. Danach war er lange Jahre Chefarzt einer psychiatrischen Klinik in Lissabon. Seine Werke sind in vierzig Sprachen übersetzt und wurden mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet.
Klappentext
Weise und leicht, traurig und poetisch, erbarmungslos und ironisch
António Lobo Antunes ganz privat: In 69 kleinen Geschichten, Phantasien und Reflexionen spricht der Autor von Kindheits- und Lebenserinnerungen, von Krankheit und Tod, von der Literatur und seiner Sicht auf die Welt. Er denkt über Sherlock Holmes und Virginia Woolf nach, über die Verbindung von Geld und Seele, die Harmonie der Welt, über die portugiesische Landschaft und über die Liebe.
Zusammenfassung
Weise und leicht, traurig und poetisch, erbarmungslos und ironisch
António Lobo Antunes ganz privat: In 69 kleinen Geschichten, Phantasien und Reflexionen spricht der Autor von Kindheits- und Lebenserinnerungen, von Krankheit und Tod, von der Literatur und seiner Sicht auf die Welt. Er denkt über Sherlock Holmes und Virginia Woolf nach, über die Verbindung von Geld und Seele, die Harmonie der Welt, über die portugiesische Landschaft und über die Liebe.
Leseprobe
Von diesem Foto ist nicht viel übrig geblieben, die Szenerie hat sich fast vollständig aufgelöst, die Menschen beginnen zu verschwinden. Die Szenerie: die Ecke eines Gartens mit einer Steinmauer, weiter im Vordergrund links etwas, das wie Büsche oder Bäume anmutet, etwas, das wie Blumen aussieht, früher war alles schwarzweiß, jetzt braun und grau. Die Menschen: meine Großmutter, im Alter von fünf oder sechs Jahren auf dem Schoß ihres Vaters, ihre Mutter stehend, zu beiden heruntergebeugt. Meine Großmutter wirkt beinahe blond, hat wasserhelle Augen, trägt ein weißes Kleidchen, sitzt auf dem Schoß ihres Vaters, der seinerseits mit steifem Kragen und Schnurrbart auf besagter Steinmauer sitzt. Man kann erkennen, dass sein Haar schütter wird, man kann ein paar Falten erkennen, das Männern im mittleren Alter eigene Fehlen der Taille. Die Mutter meiner Großmutter hat eine Art Dutt oder so, und zwischen dem, was vermutlich das Kinn ist, und dem, was vermutlich die Nase ist, liegt der Schatten eines bemühten Lächelns. Ihre Pupillen haben standgehalten, sind deutlich zu sehen, ähneln den Plastikkreisen, mit denen uns die Plüschtiere anstarren. Keiner von ihnen späht zum Fotoapparat. Meine auf dem Foto durchscheinende Großmutter hat etwas von einer Vision oder einem Traumbild. Ihr fehlt jene wissende, freundliche Perversität, die artigen Kindern und den Figuren von Henry James gemein ist, wie ihr auch die Hälfte der rechten Hand und ein Teil des Armes fehlen. Der Kragen des weißen Kleidchens wird aus Spitze gewesen sein. Die Finger ihres Vaters ruhen auf ihrer Schulter. Als ich sie kannte, war sie die einzige Überlebende des Fotos, und ihr fehlte keine Hand. Die Eltern gab es weiterhin in getrennten Bilderrahmen, ernst, unerbittlich, mein Urgroßvater mit einem Ausdruck des Staunens. Ich habe immer mit seinen in einem Schrank verwahrten Orden gespielt. Er spielte abends mit seiner Tochter Billard
(damals gab es in den Häusern Billardzimmer) während mein Großvater in der Uniform eines Kadetten der Escola de Guerra hoffnungsvoll unter dem Fenster auf- und abging. Meine Großmutter sagte, dass sie die Gardine mit dem Queue wegschob, damit er sie sehen konnte. Ich habe meinen Großvater nie in Uniform gesehen: er trug ein Leinenjackett und las die Zeitung auf der Veranda. Ich erinnere mich immer an ihn, wie er auf der Veranda in Beira Alta die Zeitung las oder den Gewittern über dem Gebirge zusah. Er starb, als ich zwölf Jahre alt war. Ein schweigsamer Mann
(ich erinnere mich nicht an seine Stimme) der dem Gewitter zusah oder Zeitung las. Was ich wohl von ihm geerbt habe, von seinem Blut? Er nahm überhaupt keine Notiz von mir, ich nahm überhaupt keine Notiz von ihm, und so waren wir quitt. Dann erfuhr ich, dass er gestorben war, und ich fing wahnsinnig an zu zittern: er war der erste mir bekannte Mensch, der gestorben war. Noch heute weiß ich nicht, was Sterben bedeutet. Wenn ich es recht bedenke, dann haben wir durchaus etwas (nicht viel, selbstverständlich nicht viel) Notiz voneinander genommen. Zumindest ist es mir lieber, zu glauben, dass es so war. Nach so vielen Jahren ist meine Mutter noch immer in ihn verliebt. Ich bin noch immer in meine Großmutter verliebt: sonntags aß ich immer bei ihr zu Mittag, sie nahm über dem Tischtuch mein Handgelenk. Noch heute kenne ich ihre Ringe in- und auswendig. Großmütterchen. Wie albern, Großmütterchen, sie hatte nichts von einem Großmütterchen. Wenn sie sich langweilte, ging sie im Zimmer auf und ab, groß, gerade, ernst. Sie redete uns mit