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Als Anne-Ruth Wertheim 1934 als Kind einer niederländischen Familie in Jakarta geboren wurde, war Indonesien eine niederländische Kolonie. Die Niederländer hatten sich selbst an die Spitze der Gesellschaft gestellt, die chinesische Kaufleute standen in der Mitte und die einheimische indonesische Bevölkerung zuunterst. Diese zweifelhafte Rangordnung änderte sich schlagartig, als 1942 die japanischen Truppen einmarschierten. Sie setzen quasi die gesamte niederländische Bevölkerung in Internierungslagern fest, die Indonesier musste als Wachpersonal Dienst leisten. Die jüdischen Insassen wurden nach Vorbild der Nazi-Ideologie in separate Lager gebracht. So auch die Familie Wertheim, denn Vater Wertheim war jüdischer Abstammung. Das war 1943, Anne-Ruth war acht Jahre alt. Zusammen mit ihren Geschwistern hielt sie den düsteren und entmenschlichenden Lageralltag in kleine, kaum Handteller großen Zeichnungen detailliert fest der Mutter war es gelungen, ein wenig Papier und Stifte ins Lager zu schmuggeln. Ein von ihr selbst angefertigtes Spielbrett war ein zusätzlicher Zeitvertreib: «Das Gänsespiel». Nach der Kapitulation Japans 1945 reiste die Familie Wertheim in die Niederlande aus. Anne-Ruth Wertheim setzt sich vor dem Hintergrund ihrer eigenen Erfahrung bis heute mit Vehemenz für das Dialog zwischen den Menschen und gegen jegliche Art von Diskriminierung und Rassismus ein. Für diesen Dialog steht auch ihr Buch, das neben der Erzählung und den Kinderzeichnungen historische Dokumente zeigt. Der kindliche Blick zeigt schonungslos direkt den Haftalltag und erinnert gleichzeitig daran, wie wichtig es ist, auch unter widrigen Umständen menschlich zu bleiben und die Menschen nie in Kategorien einzuteilen.
Autorentext
Anne-Ruth Wertheim (*1934) wurde als Kinder niederländischer Eltern in Jakarta geboren. Sie war acht Jahre alt, als sie in ein japanisches Internierungslager gesteckt wurde Allen Insassen wurde bei der Ankunft eine Nummer angeheftet, Gewalt und Erniedrigung gehörten zur Tagesordnung. Nach der Kapitulation Japans reiste die Familie Wertheim in die Niederlande aus. Anne-Ruth Wertheim studierte Biologie und war viele Jahre als Biologielehrerin tätig. Ihre Erfahrung im Lager war der Ausgangspunkt ihrer intensiven und lebenslangen Auseinandersetzung mit Rassismus. Bis heute besucht sie Schulen, um mit Kindern und Jugendlichen über Ursachen und Folgen von Rassismus zu sprechen. Anne-Ruth Wertheim lebt in Amsterdam.
Leseprobe
Dieses Buch nahm seinen Anfang im Jahr 1988: Meine Geschwister und ich hatten das Gänsespiel, die Stoffpuppen Clowntje und Schlenkerhenkie, das Holzschildchen mit der Lagernummer und das Heftchen mit den Zeichnungen vor uns ausgebreitet. Es waren alles Erinnerungsstucke aus unserer Zeit im japanischen Internierungslager während des Zweiten Weltkriegs in Indonesien. Dem Gänsespiel und den beiden aus Lumpen gefertigten Puppen war anzusehen, wie oft wir mit ihnen gespielt hatten. Nachdem wir 1945 das Lager hatten verlassen durfen, waren die Spielsachen dann in einen Koffer gesteckt worden, der seither auf dem Kleiderschrank meiner Eltern gelegen hatte. Sie waren zwar staubig, sahen aber sonst noch genauso aus wie damals. Meine Geschwister und ich sind in Indonesien aufgewachsen, in jenem Land, das damals noch Niederländisch-Indien hieß und lange eine Kolonie der Niederlande war. Doch dann besetzten die Japaner 1942 das Land und alles änderte sich auch fur uns. Im Internierungslager hatte unsere Mutter aus einem alten Karton ein Gänsespiel gefertigt das bekannte Brettspiel, bei dem einen die Wurfel in den Brunnen oder ins Gefängnis bringen können und selbst eine Begegnung mit dem Tod möglich ist. Nur sah es auf den Feldern unseres Spielbretts so aus wie im Lager, in dem wir gefangen waren. Als das Gänsespiel immer mehr zerschliss, nähte unsere Mutter zur Verstärkung mit feinen Stichen ein Stuck altes Laken um den ausgefransten Rand. Unsere Mutter konnte schön zeichnen und wollte, dass wir es auch lernten. Außerdem war sie als Historikerin der Meinung, jeder Mensch könne Geschichte schreiben. Wohl deshalb forderte sie meine große Schwester Marijke, meinen kleinen Bruder Hugo und mich auf, alles zu zeichnen, was wir um uns herum im Lager sahen. Auf die Ruckseite der Zeichnungen sollten wir das Datum notieren und das, was darauf zu sehen war. Später wurde sie dann aus unseren Bildern ein Heft binden. Niemand im Lager hatte einen Fotoapparat, also war dies die einzige Möglichkeit, festzuhalten, was uns geschah. Die Leute außerhalb des Lagers sollten es erfahren. Mir schien es wichtig, mit den auf dem Schrank wiedergefundenen Sachen etwas zu machen, denn Krieg und rassistisch motivierte Gewalt können jederzeit wieder ausbrechen. Ich wollte aufzeigen, dass Menschen unter solchen Umständen nicht zwangsläufig zu Monstern werden. Ich wollte zeigen, dass es Menschen gibt, die auch dann ihre Werte hochhalten und sich solidarisch verhalten. Und ich wollte verdeutlichen, dass es immer Sinn macht, sich dem Unrecht zu widersetzen. Menschen, egal welcher Hautfarbe oder Herkunft, mussen in Frieden zusammenleben können und sollten nie gezwungen sein, sich entscheiden zu mussen, ob sie zur einen oder zur anderen Gruppe gehören. Kurze Zeit später brachte ich meine Erlebnisse im japanischen Internierungslager auf Java zum ersten Mal zu Papier. 1994 wurde der Text zusammen mit unseren Zeichnungen und Fotos in den Niederlanden zum ersten Mal veröffentlicht. 2008 erschien das Buch auf Indonesisch. So konnte meine Geschichte auch in dem Land gelesen werden, in dem sich alles zugetragen hat. Mittlerweile gibt es das Buch auch auf Englisch, Französisch, Arabisch, Chinesisch, Spanisch und Japanisch. Kinder an ganz verschiedenen Orten auf der Welt können somit lesen, was damals passiert ist. Als der Zweite Weltkrieg wutete, mussten Kinder in vielen Teilen der Welt Schreckliches erleiden. Ich hoffe, dass die Kinder von damals, die inzwischen alt geworden sind, einen Dialog daruber fuhren können, was sie erlebt haben. Damit junge Menschen und die Kinder von heute verstehen, warum es nie wieder Krieg geben sollte. Anne-Ruth Wertheim