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Mein Ex Libris

Der beste Krimiplot ist nutzlos, wenn wir nichts Emotionales empfinden

Schon als Kind liebte Monika Mansour spannende Geschichten. 2014 brachte sie ihren erster Krimi heraus und erfüllte sich damit ihren Traum vom Leben als Schriftstellerin. Im Interview spricht die Autorin über ihr neues Buch «Zugersee». Ausserdem verrät sie, was sie an Regionalkrimis so reizt und welches Buch gerade ganz oben auf ihrer Leseliste steht.

Monika Mansour hautnah

Interview von Ex Libris

Monika Mansour Porträt
Bild: © 2022 by Essam

Liebe Frau Mansour, am 31. Mai 2022 erscheint Ihr neuer Krimi «Zugersee». Können Sie uns schon mal einen kleinen Vorgeschmack darauf geben, was uns in dem Buch erwarten wird?
Die Reinigungskraft Katja Rosenstock ersticht am Bahnhof Zug Schutzengel einen Bankdirektor und gesteht ihre Tat auf der ersten Seite des Buches. Ihr verzweifelter Ehemann beauftragt die Detektei Trust Investigation, nach dem Motiv zu suchen. Je tiefer wir in Katjas Leben eintauchten, desto komplexer und erschreckender wird ihre Vergangenheit. Es geht um die zentrale Frage, wie weit ein Mensch sündigen darf, um Gerechtigkeit einzufordern.

Bei «Zugersee» handelt es sich um die Fortsetzung von «Höllgrotten» und «Wildspitz». Inwieweit baut der Roman auf seinen Vorgängern auf?
Der Fall um die Mörderin Katja Rosenstock ist in sich abgeschlossen und unabhängig von den Vorgängern. Das private Leben des Ermittlertrios hingegen wird weitergezogen. Vor allem in der traumatischen Vergangenheit von Sara Jung, der ehemaligen Kripochefin, finden sich Parallelen zu Katja Rosenstocks Bluttat.

Für alle, die Ihre Zuger Krimis noch nicht gelesen haben: Können Sie uns das Ermittlertrio genauer vorstellen? Was verbindet Natalie, Tom und Sara miteinander?
Die junge Natalie ist ein Schmetterlingskind (sie hat EB, eine Erbkrankheit die ihre Haut so verletzlich wie die Flügel eines Schmetterlings macht). Doch ihre Krankheit hindert sie nicht daran, vor allem im Darknet an der Grenze zur Legalität zu ermitteln. Tom ist ehemaliger Kickbox-Champion, ein guter Kerl mit viel Mitgefühl. Die knallharte, unnahbare Sara war Kripochefin, bevor sie aus persönlichen Gründen kündigte. In «Zugersee» hat das ungleiche Trio die Detektei frisch gegründet, sucht dringend Klienten und kämpft mit Anfangsschwierigkeiten. Sie müssen lernen, zueinander zu finden, menschlich wie beruflich.

«Zugersee» spielt – wie all Ihre bisherigen Romane – in der Schweiz. Wie präsent ist der Schauplatz Zug im Roman? Oder anders gesagt: Wieviel «Schweiz» steckt in den Seiten?
Der Zugersee spielt eine zentrale Rolle, denn er hütet ein Geheimnis. Die Stadt Zug ist präsent. Der Fall führt aber auch ins Zürcher Rotlichtviertel. Regionalkrimis finde ich besonders spannend, weil nicht bloss die bekannte Gegend darin beschrieben wird, sondern weil ganz viel Schweizer Kultur und Authentizität in diesen Büchern steckt.

Warum gerade Zug? Was ist Ihr persönlicher Bezug zu dieser Region?
Ich wollte eine zweite Krimi-Reihe schreiben und damals hatte der Emons Verlag niemanden im Kanton Zug, also packte ich die Gelegenheit am Schopf. Ich bin im Kanton Zürich aufgewachsen und lebe seit vielen Jahren im Luzerner Hinterland. Einige Jahre arbeitete ich jedoch in Hünenberg. Und schon zu meiner Jugendzeit war ich ein grosser Fan vom EVZ.

Sie haben sich als Schweizer Kriminalautorin einen Namen gemacht. Was reizt Sie besonders an diesem Genre?
Es ist nicht das Verbrechen selbst, sondern die menschlichen Abgründe und Schicksale, die zu einem Verbrechen führen. Ich will Lesende in eine Geschichte miteinbeziehen und mitraten lassen. Für mich ist ein guter Krimi wie ein Rätsel mit tausend Fragen und Lösungen. Ich mag das Tempo, das ich in einem Krimi aufbauen kann, die Überraschungen, die er bereithält, aber letztlich sind es die lebendigen Figuren, die ihn tragen.

Womit steht und fällt ein guter Krimi?
Natürlich braucht ein Krimi einen ausgereiften Plot, sonst funktioniert er nicht. Doch es sind die Figuren, die die Leser*innen berühren und in eine Geschichte hineinziehen. Der beste Krimiplot ist nutzlos, wenn wir nichts Emotionales empfinden. Krimiautoren und -autorinnen müssen sich auf die Figuren, das lebendige Beschreiben von Handlung und Orten und zusätzlich auf eine oft sehr komplexe Handlung konzentrieren. Vielleicht ist der Krimi gerade deshalb so beliebt. Er zeigt nicht nur das Leben von Figuren, er erzählt deren Geschichte.

Bleiben Sie dem Genre auch in Zukunft treu oder gibt es noch andere Gattungen, an denen Sie sich als Schriftstellerin versuchen wollen?
Ich habe so viele Ideen im Kopf und so viele Genres, die ich liebe. Weshalb sich an Grenzen halten? Hätten wir mehr Mut, uns vom Genre zu lösen, würden ganz viele wunderbare Geschichten entstehen. Aber eben, in welches Regal stellt man so ein Buch? Ein Genre-Mix verkauft sich nicht so leicht. Deshalb bleibe ich vorerst beim Krimi, da kann ich eine Liebesgeschichte, einen historischen Hintergrund – oder sogar Science-Fiction perfekt miteinbauen.

In Ihren Romanen greifen Sie hochaktuelle, aber auch sehr komplexe Themen auf. Wie erleben Sie das, kommen sich beim Schreiben die akribische Recherche und die frei fliessende Kreativität manchmal in den Weg?
Bei Recherchen sammelt sich viel Hintergrundwissen an, das man nicht alles in einen Krimi packen kann. Als Autorin darf ich nie vergessen, dass ich Bücher in erster Linie zur Unterhaltung schreibe, gespickt mit Themen aus der realen Welt. Ich will die Leser*innen nicht belehren und halte meine persönliche Meinung gerne zurück. Aber ich kann Fakten aufzeigen und Figuren im Buch unterschiedlich darüber denken lassen. Nachdenken ist wichtig – und fördert in meinem Fall die Kreativität.

Ihre berufliche Laufbahn ist vielfältig – von der Lehre als Augenoptikerin zum Flughafen Zürich, der Leitung einer Whiskeybar und einem Tattoostudio. Auch gereist sind Sie viel. Wie wirken sich diese schillernden Erfahrungen auf Ihren Schreibstil aus?
Ich konnte vor allem eines: wertvolle Erfahrungen sammeln. Davon kann ich heute profitieren. Am Flughafen zum Beispiel ist man mit Menschen aus der ganzen Welt konfrontiert, mit Menschen unterschiedlicher Kulturen, die unterschiedliche Probleme haben. Ich habe gelernt zu beobachten. Diesen menschlichen Wissensschatz kann ich in meine Krimis einbauen.

Welches Buch steht gerade ganz oben auf Ihrer Leseliste?
«Kim Jiyoung, geboren 1982» von Cho Nam-Joo. Kein Krimi, sondern ein unglaublich zartes und gleichzeitig schonungsloses Buch über das schwierige Leben einer Frau in einer oft konservativen und starren Gesellschaftsordnung. Ein Buch, das mich über Gerechtigkeit, Vorurteile und gesellschaftliche Probleme nachdenken lässt, aber auch meinen Kampfgeist weckt, denn ein Stück Kim Jiyoung steckt in jeder Frau auf dieser Welt.

Auf welches nächste grosse Projekt freuen Sie sich bereits?
Mein nächster Krimi aus der Luzern-Reihe mit Cem Cengiz als Ermittler wird Ende Oktober 2022 erscheinen. Es ist ein Buch, das ich unglaublich gerne geschrieben habe. Seit Jahren habe ich diese fixe Idee im Kopf, einen Kriminalroman mit Science-Fiction zu verknüpfen – womit wir wieder beim Thema Genre-Mix wären. So ausserirdisch es klingen mag, es ist ein Buch voller Überraschungen und mit Figuren, die mir sehr ans Herz gewachsen sind – und von denen leider nicht alle überleben werden.

Der dritte Teil der Zuger-Reihe von Monika Mansour

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